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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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steht?
    Zemmitz klingelte mehrmals an der breiten bronzenen Haustür, die eher dem Eingang einer Kirche als eines Privathauses glich, drückte dann gegen die Tür und fand sie nur angelehnt. Verwundert betrat er die weite Halle und wollte gerade ›Hallo! Die Tür stand offen!‹ rufen, als er den weißen Klumpen Mensch unten an der Treppe liegen sah.
    »Hellersen!« rief Dr. Zemmitz betroffen. »Was haben Sie denn? Mensch, was machen Sie denn?!« Er kniete neben ihn, warf einen Blick auf den Ohnmächtigen und rannte sofort zum Telefon. Das kann sein Ende sein, dachte er, während er durchschellen ließ. Ein Zusammenbruch, wie er katastrophaler nicht sein kann. Und welche Situation! Liegt nackt am Fuße der Treppe, der Bademantel vier Meter weiter zusammengeknüllt in der Halle. Das Haus leer, kein Gärtner, kein Mädchen, keine Katja. Die Tür offen. Was hatte Hellersen veranlaßt, in solchem Aufzug sein Zimmer zu verlassen?
    »Wo bleibt denn die Pforte!« schrie Zemmitz in den Apparat. »Schläft da wieder alles? Schwester Erna! Himmeldonnerwetter – wo waren Sie denn? Seit Minuten klingele ich! Wo waren Sie? Ja, schon gut, schon gut! Sofort den Notdienstwagen zu Hellersen. Dr. Bernhard soll das Sauerstoffzelt vorbereiten. Wir haben kein Zimmer mehr frei? Wir haben eins frei! Nummer 10. Da liegt Frau Braunfels? Raus mit ihr, auf Zimmer 19. Ja, rollen Sie das Bett einfach weg! Auch wenn sie protestiert. Ich regle das nachher. Den Notdienst los! Mit Blaulicht und Sirene! Ende.«
    Er warf den Hörer hin, rannte zurück zu Hellersen, schob dessen Augenlider hoch, stürzte aus dem Haus, riß den Arztkoffer aus seinem Wagen, lief mit wehender Jacke zurück und gab dem Besinnungslosen eine Injektion tief intramuskulär zur Entkrampfung und – nach einigem Zögern – mit einer langen Hohlnadel intracardial direkt ins Herz.
    Bruno Hellersen zeigte keine Wirkung. Ein Klumpen weißes Fleisch, häßlich in dieser völligen Entblößung, lag er regungslos auf den Marmorplatten.
    Zemmitz versuchte, ihn wegzuziehen, nahm den Bademantel und mühte sich ab, Hellersen darauf zu schieben. Es war unmöglich. Dieses menschliche Gebirge konnte ein Mann allein nicht bewegen.
    Zemmitz setzte sich auf einen der Gobelinsessel in der Halle und wartete. Was er im Augenblick tun konnte, hatte er getan. Ob Hellersen noch lebend in der ›Wald-Klinik‹ ankam, hing von der Schnelligkeit des Notdienstwagens ab. Hier waren Minuten entscheidend. Ein Wettlauf gegen die Uhr.
    Zehn Minuten. Zemmitz sprang auf und lief zur Tür. Um drei Ecken brauchen sie nur zu fahren, und dazu sind zehn Minuten notwendig?! Das nennt man Notdienst?! Er nahm sich vor, die Fahrer zu entlassen. Röte stieg in sein Gesicht, der Ärger machte ihn unlogisch. Zum erstenmal wartete er selbst und rechnete nicht mit, was jetzt in der ›Wald-Klinik‹ geschah. Alarm auf der Männerstation. Pfleger Hans und Fahrer Ewald hinunter zur Pforte, zur Garage, Wagen anlassen, hinaussetzen, die Auffahrt hinunter zum Tor hinaus, Gegenverkehr, Blaulicht an, Martinshorn, das Leuchtschild mit dem Roten Kreuz über dem Fahrersitz auf dem Wagendach – was sind da zehn Minuten?
    Zemmitz atmete auf, als er die heulende Sirene hörte. In einem wahnwitzigen Tempo bog Ewald in das Grundstück Hellersen ein und bremste mit einem ohrenbetäubenden, gellenden Quietschen. Im gleichen Augenblick stürzte der Pfleger Hans aus dem Führerhaus und rannte zur Hintertür des Wagens.
    »Ich habe den Notdienst bestellt, keine Schnecken!« schrie Zemmitz unter dem Eingang. »Wir sprechen uns noch! Sauerstoff, schnell! Ab morgen exerzieren wir Notdienst, verdammt noch mal!«
    Mit der Trage brachten die Pfleger das Sauerstoffgerät und die Plexiglasmaske ins Haus. Sie wuchteten den nackten Hellersen auf die Bahre, deckten ihn mit Decken ab und drückten ihm die Maske über das Gesicht. Hier saß jeder Griff, exakt, schnell, ohne viele Worte. Dr. Zemmitz hockte neben der Trage und kontrollierte Herzschlag, Puls und Atmung. Leise zischend strömte der reine Sauerstoff aus der Stahlflasche in den Glastrichter.
    »Zurück in die Klinik!« kommandierte Zemmitz. »Jungs, wir müssen es schaffen!«
    Während Hans und Ewald die Trage hinausschafften, lief Zemmitz nebenher und drückte die Maske über Hellersens Gesicht. Die Sauerstoff-Flasche lag auf seinem Bauch, Zemmitz hielt sie mit der linken Hand fest. Im Laufschritt brachten sie den Kranken zum Wagen. Zemmitz kletterte zu Hellersen in die enge Kabine, die

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