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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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recht – wenn sie sich wirklich irren, ist der andere schuld. So auch bei Vandura – warum flüchtete der blöde Hund, wenn er unschuldig ist? Wieso soll der Staat für dieses Privatvergnügen aufkommen? Verdächtigungen trieben ihn weg? Aber, aber – ist eine Polizei zur Ermittlung da oder nicht? Muß sie nicht von Berufs wegen mißtrauisch sein? Verbrecher kann man nicht am Äußeren erkennen. Da gab es einen Universitätsprofessor, der zerhackte seine Frau wie ein Beefsteak à la tatare …
    »Wir können gar nichts tun«, sagte Kommissar Brandtner. »Ich weiß. Dr. Vandura ist rehabilitiert, aber man kann ihm das nicht zustellen. Er ist verschwunden. Das wissen Sie so gut wie ich, gnädige Frau. Unsere Aufgabe ist es, Täter zu suchen, aber keine Unschuldigen. Warten wir es ab. Vielleicht gibt er Nachricht, über eine Mittelsperson …«
    Mit dem schönen Klang Mittelsperson im Ohr verließ Katja das Kommissariat. Vielleicht liest er es in den Zeitungen, war ihre größte Hoffnung. Es waren zwar nur kleine Notizen im Gegensatz zu den Artikeln, als man Vandura für einen Mörder aus Liebe hielt, aber wenn er wirklich Zeitungen las, mußte er sie sehen.
    Katja unternahm in diesen Tagen eine Verzweiflungstat, die sie die letzte Sympathie der Frauen von Grünwald kostete: Eine Woche lang setzte sie in alle großen Zeitungen Deutschlands eine Anzeige hinein – jeden Tag den gleichen Text – und bezahlte dafür ein Vermögen. Mit Blumen umrandet, stand da:
    »Ich liebe dich! Komm zurück! Du bist ein freier Mann. Ich warte auf dich – Katja.«
    Als die erste Anzeige erschien, landete Vandura gerade auf dem Wüstenflugplatz Sarqa. Für ihn gab es keine deutschen Zeitungen mehr, nur noch blutende Revolutionäre.
    Er hatte die Vergangenheit endgültig begraben.
    Es geschah an einem Samstag – im Lazarett hing ein Kalender, Werbegeschenk einer Autofirma in Amman –, als Dr. Vandura und Laila Husseini im OP-Zelt zusammenstießen. Dr. Karabasch war wieder weggeflogen, nach Jerusalem, an die ›Front‹, wie er sich ausdrückte, an den Grenzen zu Israel häuften sich die Überfälle und Sabotageakte, mit einer Einheit der jordanischen Armee vollführte eine Gruppe Revolutionäre eine regelrechte Schlacht, was eine Masse Verwundete in das Krankenhaus von El Muwaqqar schwemmte, und im Radio hörte man, daß verschiedene Gruppen von Palästinensischen Freiheitsbewegungen zum Heiligen Krieg gegen Israel aufrufen wollten. Noch konnte Nasser bremsen, versuchte König Hussein es mit Verhandlungen, tagte der Sicherheitsrat der UNO – es blieb etwas in der Luft hängen wie Brandgeruch. Man roch das heiße Eisen, das irgendwo geschmiedet wurde.
    »Was zaubert Karabasch wieder aus der Wunderkiste der Revolution?« fragte Dr. Vandura an diesem Morgen. »Glauben Sie, ich bin blind? Vom Lager sind zwanzig Wagen mit Truppen abgezogen worden. Kinder, ihr werdet doch nicht solche Idioten sein und einen wirklichen Krieg entfachen?«
    Es war ein früher Morgen. Noch lag die Nachtkälte über der Wüste. Die bizarren Felsen wirkten wie aufgetürmte, gebleichte Riesengebeine. Vandura hatte die Visite – wirklich, er hatte Visiten eingeführt wie in einer Klinik, und keiner hatte ihm widersprochen – um sieben Uhr angesetzt, um an diesem Tag frei zu haben und einen Ritt in die Wüste zu unternehmen. Irgendwo, an der Piste nach der Grenzstadt Jiza, sollten im Sand versunkene Ruinen ammonitischer Tempel liegen. Ein Stück Urzeit, wo es noch keinen Christus und keinen Mohammed gab und die Menschen trotzdem lachten, sich liebten, Kinder zeugten und sich gegenseitig erschlugen.
    Laila knöpfte sich den weißen Kittel zu und setzte die Haube auf. Seit Vanduras Gegenwart hatte sie sich verändert. Sie benutzte einen Lippenstift, zog die Augenbrauen nach, bemühte sich um einen geraden Lidstrich und band, wenn sie keine Operationskappe trug, bunte Bänder in die blauschwarzen Haare. Das sah lustig aus, keck, durch und durch unrevolutionär. Aber Vandura verkniff sich diese Bemerkung. Sie würde mich anspringen wie eine Raubkatze, dachte er.
    »Revolution heißt Bewegung«, sagte sie und legte die chirurgischen Bestecke in den Sterilisationskasten. Es gab sogar elektrischen Strom hier in der Wüste – ein Aggregatwagen, mit Dieselöl betrieben, summte Tag und Nacht und lieferte die Elektrizität. »Und wir bewegen uns! In Kürze werden wir die ganze Welt bewegen.«
    »Das wollte schon Archimedes mit seinem Hebel.« Vandura drehte Laila den

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