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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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konnte, aber er hatte es sich in den vergangenen Wochen abgewöhnt, sich zu wundern oder zu fragen – hier in der Wüste mußte man mit Rätseln leben können.
    Vor Vanduras Füßen standen der Koffer mit dem chirurgischen Notbesteck, ein Kasten mit Medikamenten und Verbandszeug und zwei Plastikkanister mit Desinfektionslösungen. Die kurze Funkmeldung hatte nicht enthalten, um welche Verletzungen es sich handelte. Eine Rückfrage war unmöglich – der vergessene Flugplatz Sarqa antwortete nicht mehr. Seine Funkstation hatte andere Aufgaben, als lange Erklärungen für einen Arzt abzugeben.
    »Sie feiern das wie einen Sieg«, hatte Vandura kopfschüttelnd gesagt, als auch Laila von dem Freudentaumel im Lager Muwaqqar angesteckt wurde und durch das Operationszelt tanzte. Vandura starrte sie ungläubig an. Er kannte sie kaum wieder, eine erschreckende Verwandlung war eingetreten. Aus der hübschen, glutäugigen und stolzen Araberin war ein Bündel flammenden und aller Vernunft entgleitenden Fanatismus geworden. Vandura packte sie an den Schultern, schüttelte sie und zog sie zu sich heran. »Wachen Sie auf, Laila! Heda! Erwachen Sie aus Ihrer Trance! Man hat Frauen und Kinder mitten in der Wüste abgesetzt, Unschuldige, die mit Ihrem Heiligen Krieg gegen Israel nichts zu tun haben –«
    »Es gibt keine Unschuldigen!« rief Laila und riß sich aus Vanduras Händen los. »Die ganze Welt ist schuldig, weil sie stillschweigend das arabische Elend duldet!«
    »Das ist die teuflische Rechtfertigung des Terrors!«
    »Das ist das Signal zum Nachdenken! Haben Sie die Flüchtlingslager der Palästinenser gesehen?! Gehen Sie hin, ich werde Dr. Karabasch bitten, Sie einen Monat unter diesen Armseligsten der Armseligen leben zu lassen, nur einen Monat, und Sie werden zum nächsten Gewehr greifen und auf die Kapitalisten schießen, auf diese fetten Schweine, die Kaviar und Langusten fressen, während für eine halbe Million Flüchtlinge in der Wüste nicht einmal das Mehl für einen halben Liter Suppe reicht! Das weiß man alles, das steht fast jeden Tag in den Zeitungen, das sehen sie im Fernsehen – aber wen kümmert's?! Die neueste Liebesaffäre der Filmschauspielerin Lili Soundso oder die Ergebnisse der letzten Fußballspiele sind wichtiger. Aber hier in der Wüste verrecken Zehntausende Frauen und Kinder, ebenso unschuldig wie die, die wir jetzt vom Himmel geholt haben! Das sind nur 49 Frauen und dreizehn Kinder – aber Sie sollen sehen, welch ein Geschrei sich in der Welt erheben wird, weil diese paar Satten ein paar Tage oder Wochen so leben müssen wie wir! Genau das wollten wir erreichen: Die Welt soll aufschreien. Sie soll sehen lernen! Sie soll die fetten Hintern bewegen!«
    »Wie können so schöne Lippen solche Worte sprechen?« Vandura packte seinen chirurgischen Reisekoffer. Dr. Karabasch hatte ihn von Damaskus mitgebracht, made in USA, ein Koffer amerikanischer Vollkommenheit. In ihm fehlte nichts für Notchirurgie.
    »Auch Sie stehen auf Seiten der Reaktion!« schrie Laila und ballte die Fäuste.
    »Ich bin Arzt – ich stehe auf Seiten der Kranken.«
    »Und politisch? Nun 'raus mit der Sprache, Hakim-Pascha!«
    »Meine Politik ist ein guter chirurgischer Schnitt und eine vollendete, nicht platzende Naht.«
    »Welch eine Ausrede! Sie sind ein politischer Eunuch!«
    »Das richtige Wort!« Vandura lachte. »Laila, Sie sind doch eine Frau – eben hätte ich es fast bezweifelt. Sie sollten einen Mann lieben und Kinder kriegen – als Revolutionsbraut sollten Sie bereits gemerkt haben, daß die Revolution biologisch impotent ist.«
    Es war wie vor sechs Wochen, als Vandura sie zum erstenmal küßte, und dann nicht wieder. Sechs Wochen, in denen Laila sich nach ihm sehnte, seine Nähe suchte, in denen ihre großen, schwarzen Augen lockten und ihr schmales Gesicht unter dem Kopftuch oder dem OP-Käppi weich vor Erwartung wurde, wenn Vandura sie länger als nötig anschaute. Aber er berührte sie nicht mehr, und sie verstand das nicht.
    Jetzt küßte er sie wieder, in einem Augenblick, wo sie erneut vor Patriotismus flammte, ihre Augen blitzten und ihr herrlicher Körper vor Wut zitterte. Und wieder war sie willenlos in seinen Armen, strömte aller Widerstand aus ihr und überflutete sie das Glücksgefühl, für das sie keinen Namen wußte. Dr. Ashraf, der gerade jetzt hereinkam, räusperte sich und fragte nüchtern: »Fahren wir jetzt?«
    »Natürlich!« Vandura ließ Laila frei. »Noch zwei Kanister Lösungen!

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