Der Wüstendoktor
Und aus dem Archiv flatterte danach der Hinweis: Erinnert ihr euch noch an die Sache mit diesem Dr. Vandura aus Grünwald? War bei uns nur eine halbe Seite. Kleiner Hering: Vergiftet Ehemann seiner Geliebten, ist aber nachher unschuldig, obwohl er heimlich Spritzen gegeben hat. Dunkle Angelegenheit, aber in diesem Stadium uninteressant. Nun kommt's – dieser Vandura verschwand plötzlich, flüchtete, war nicht mehr da, als die Kripo ihn am Morgen abholen wollte. Na, läutet es bei euch, Kollegen?! Euch müssen ganze Glocken im Hirn schwingen! Da könnte eine Story zuwachsen, um die euch die Welt beneidet. Aber Schnauze halten!
»Nichts wie hin!« sagte Hastenberg, als Bernd Zobel diese Vermutungen vortrug. »Wie hieß das Schlummerchen? Katja Hellersen? Untern Arm geschnappt und auf unsere Kosten ab nach Amman! Sie soll diesen Hakim-Pascha identifizieren. Ist es wirklich Vandura – Zobel, du Rindvieh, du bekommst ein Sonderhonorar! Ein Anruf aus Amman genügt, und ich mache die Seiten frei. Und wenn die Anzeigenjungs noch so schreien – das muß ganz groß in den ›Globus‹!«
Es blieben bis zum Abflug noch vier Stunden. Drei Stunden brauchte Zobel, um Katja Hellersen zu überreden mitzufliegen.
»Er ist es nicht«, sagte sie immer wieder. »Er kann es nicht sein! Wenn er in Jordanien lebte, hätte er längst die Möglichkeit gefunden, mir eine Nachricht zu schicken. Wüstendoktor bei den Rebellen?! Unmöglich! Das würde Ralf nie tun!« Stur hielt Katja Hellersen daran fest.
»Sehen wir ihn uns doch einmal an – das kostet doch nicht Ihr Geld!« sagte Zobel eindringlich, »ist er's nicht, mache ich eine Story: ›Aus Liebe um die halbe Welt – Eine Frau sucht ihren Geliebten‹. Auch das kommt an. Ist er's aber, dann lassen wir die Blätter rauschen! Und ich sage Ihnen: Hakim-Pascha ist Vandura.«
»Nie.« Katja preßte die Hände gegen ihre Schläfen. »Nie! Ich nehme an, er hat sich in Südamerika verkrochen. Für nichts und wieder nichts. Seine Unschuld ist einwandfrei bewiesen.«
»Südamerika machen wir später.« Zobel blickte auf die Uhr. Die Zeiger schienen zu rasen. »Ich habe Ihre Fahrkarte schon, in Beirut wartet unser Korrespondent, der wird alles für Sie regeln, Hotel, Geld, was Sie brauchen. Packen Sie Ihre Handtasche und ab die Post! Mehr brauchen Sie nicht, wenn Sie mit Zobel reisen. Um die Welt mit Zobel, dann kennen Sie den Globel. Hihi. Soll Globus heißen, aber das reimt sich nicht. Wo ist das Handtäschchen? Hier … So unbeschwert ist noch keiner geflogen –«
Es dauerte noch immer zwei Stunden, bis Zobel mit einer Redekunst ohne Beispiel Katja Hellersen überzeugt hatte. Mit einem Taxi rasten sie nach Riem zum Flugplatz und kamen gerade recht, als ihre Maschine in der Halle aufgerufen wurde.
»Ihr Süßen!« rief Zobel den Zollbeamten zu, die an der langen Kofferbank warteten und die Koffer mit einem Kreidestrich freigaben. »Laßt uns durch, wir sind auf Menschenjagd! Wenn wir zurückkommen, haben wir 'nen Schrumpfkopf im Gepäck! Bis dahin –«
Die Beamten lachten und winkten. Wer kannte Bernd Zobel nicht?
Dann saßen sie in der Maschine nach Beirut und starrten in das Abendrot, das München vergoldete. Ein brennender Himmel von unmeßbarer Schönheit.
»Er ist es nicht –«, sagte Katja leise und wandte sich ab.
»Wetten? Ich bekomme von Ihnen Ihre Lebensgeschichte, Sie von mir ein Farbfoto: Wüstendoktor sieht Liebling wieder.« Zobel lachte, als er Katjas abweisendes Gesicht sah. »Sie sollten sich freuen«, sagte er. »Wenn es wirklich Vandura ist – dieses Wiedersehen. Sie wollen ihn doch wiedersehen?«
»Ja, aber ja …« Sie senkte den Kopf und weinte plötzlich. »Aber ich habe Angst, schreckliche Angst …«
»Sie lieben ihn doch?«
»Ja – aber er?«
Das war eine Frage, die selbst der gewandte Zobel nicht beantworten konnte. Er schnallte sich an, lehnte sich zurück und genoß den Aufstieg des Flugzeuges. In den blutenden Himmel hinein – das war etwas für Zobel.
Vandura, dachte er dabei. Ich werde aus ihm einen doppelten Märtyrer machen: einen der Justiz und einen der Medizin.
Wenn dieser Hakim-Pascha bloß Vandura ist, verdammt noch mal –
Das Flugzeug nahm Kurs nach Süden.
6
Dr. Karabasch hatte sein Versprechen gehalten: Das Flugzeug wurde geräumt, die Geiseln wurden in drei Zelten untergebracht, ein Tankwagen sorgte für reines Wasser, die Verpflegung lieferte die Rebellenküche. Ein Zelt ließ Dr. Vandura als Krankenrevier herrichten –
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