Der Wüstendoktor
Luft sprengen.«
»Das wird Ihrer Idee die letzte Sympathie kosten.«
»Ich brauche keine Sympathie – ich brauche die Erkenntnis der Wahrheit. Die Wahrheit ist rein, und das Feuer ist rein – also werden wir ein Feuer machen, um die Wahrheit zu erreichen.«
Vandura tauchte die Hände in das Becken mit Desinfektionslösung und trat dann neben Laila an den Verwundeten. »Wenn ich das Leuchten Ihrer Augen richtig deute«, sagte er, »sind Sie auch ein so heilloser Fanatiker wie Karabasch.«
»Er spricht uns aus der Seele.«
»Ist Ihre Seele so eng, Laila?« Vandura legte seine Hand auf ihren Arm. Es durchfuhr sie wie ein feuriger Strahl. Ihr Atem stockte. »Ich habe gelesen, hier mitten in der Wüste sollen wundervolle alte Paläste liegen. Ich hätte Lust, einen Ausflug dorthin zu machen. Kommen Sie mit?«
Sie nickte. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie gaben keinen Laut frei. Nur ihre Augen sprachen, und was sie sagten, war heißer als die Glut der Sonne über dem Wüstensand.
Vandura überzeugte sich peinlich genau in allen Zelten, daß die Geiseln der Lage entsprechend gut untergebracht waren. Von allen Seiten wurde er bestürmt, mit Wünschen überschüttet, von einigen Passagieren sogar als ›roter Verräter‹ beschimpft. Pfarrer McClean begleitete Vandura später hinaus. »Verzeihen Sie es ihnen«, sagte er. »Die Nerven. In einer solchen Situation lernt man den Menschen kennen – die Erkenntnis ist oft beschämend. Aber versetzen Sie sich in ihre Lage: Sie sind in einen politischen Strudel geraten und verlieren nun das Gleichgewicht. Am tapfersten benehmen sich noch die Frauen: Sie dulden stumm. Unter den Männern gibt es drei Gruppen: Die dämlichen Helden, die Widerstand predigen, wo immer er möglich ist – die Praktischen, die bereits mit der Organisation ihres Geiseldaseins beginnen – und dann die Theoretiker, die jedes Problem analysieren und Lehrbücher für Geiseln schreiben könnten. Wir haben da drei Deutsche unter uns, die bei gemeinsamen Gesprächen entdeckten, daß sie alle in russischer Gefangenschaft gewesen sind. Was glauben Sie, was da jetzt los ist?! Ein kompletter Fluchtplan ist das mindeste. Aber Karabasch ahnt so etwas. Er hat angedroht, daß bei einem Fluchtversuch alle von uns sofort erschossen werden. Glauben Sie, daß er so etwas zuläßt?«
»Ganz sicher.« Vandura blickte hinüber zu dem in der Sonne blitzenden Flugzeug. Auf den Flügeln lagen einige Rebellen und brachten neue Sprengladungen an. »Ein sowjetischer Plenny lebte immerhin noch in einer gewissen Rechtsform – er war Kriegsgefangener. Sie sind aber Piratenbeute – das ist außerhalb allen Rechts. Sagen Sie das den anderen, erklären Sie ihnen das. Sagen Sie es ihnen ganz offen: Ihr Leben hängt ab von der Laune Dr. Karabaschs. Von nichts anderem sonst! Und ich kann ihnen nur helfen als Arzt – im Grunde bin ich auch nur ein Gefangener –«
Pfarrer McClean nickte und ging mit gesenktem Haupt ins Zelt zurück. Zum erstenmal in seinem Leben hatte er einen ketzerischen Gedanken: Hier hilft auch kein Beten mehr –
Mit einem kleinen, staubigen Jeep fuhren sie hinaus in die gelbflimmernde Unendlichkeit der Wüste. Laila hatte ihre Rebellenuniform angezogen und den Kopf bis zu den Augen mit einem gestreiften Tuch vermummt. Vandura trug seine arabische Dschellaba und das normale Kopftuch mit dem breiten Gummizugband. Das Verdeck hatten sie hochgeklappt – lieber im Schweiß schwimmen, als sich von dem Sand zerreiben lassen, hatte Vandura gesagt. Wenn Verdeck und zugeknöpfte Plastikscheiben auch kein vollkommener Schutz waren, so hielten sie doch die Staubwolken ab, die die Räder ihres Wagens aufwirbelten. Bevor sie abfuhren, montierte Laila aber noch ein Maschinengewehr auf einen stählernen Bock hinter der Windschutzscheibe. Drohend stand es zwischen Laila und Vandura. Ein Hebeldruck, die Scheibe klappte herunter und das Schußfeld war frei.
»Wir wollen keine Revolution machen, Laila«, sagte Vandura, »sondern uns die Liebespaläste der Scheichs ansehen. Mich stört alles, was Krach macht. Und das hier –« er klopfte mit der Faust auf das MG – »ist mir das unangenehmste Lärminstrument überhaupt.«
»Es ist notwendig.« Laila kletterte auf den Fahrersitz und ließ den Motor an. Trotz ihrer Uniform sah sie verführerisch weiblich aus, unter der etwas zu engen Feldbluse wölbten sich ihre Brüste. »Es gibt keine Ruhe mehr auf der Welt.«
»Weil immer jemand da ist, der herumschießt.« Vandura
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