Der Wüstendoktor
muß.
»Wie frühstücken Sie, Kollege?« fragte er. Der Arzt zog das Kinn an.
»Tee, Porridge, Eier, Schinken … ab und zu Marmelade. Orangenjam. Oh, ich weiß, was Sie sagen wollen! Ich sitze im Sessel und kaue mit vollen Backen, und in der Wüste müssen zwei dünne Mehlfladen für zehn Mann reichen. Was soll's?! Kann ich mein Frühstück per Luftfracht nach Amman schicken? Natürlich, Geld täte es auch – aber das verschwindet in den Kanälen der Korruption! Die arabischen Führer fahren dann Mercedes und bauen sich Häuser am Meer, aber die Kinder hungern noch immer!«
»Reden Sie keinen Blödsinn, Kollege. Sie haben noch kein Flüchtlingslager besucht. Wenn Sie eine Stunde durch die Zeltgassen gegangen sind, wird Ihnen später kein Bissen mehr durch die Gurgel rutschen. Sie fühlen sich wie erwürgt.« Vandura holte einen kleinen Spritzenkasten aus der Tasche, zog eine Spritze auf und injizierte das Kreislaufmittel der zitternden Miß Fulham. Als er die Nadel einstach, machte sie »Oh!«, verdrehte die Augen und seufzte tief. Die Injektion schien ihr ein Lustgefühl zu bereiten. Vandura packte seine Sachen ein und rollte die Gummischläuche des Stethoskops zusammen. »Ich kann Sie mitnehmen, Kollege. Zum Lager Wachdat kommen wir noch durch – es ist noch in der Hand der Rebellen.«
»Danke. O danke … ich bin hier, um meinem Hobby nachzukommen. Archäologische Studien.« Der Londoner Arzt winkte ab. »Lassen Sie mich in Ruhe mit dieser verdammten Revolution. Warum unternimmt niemand etwas? Auf dem Mittelmeer kurvt die 6. amerikanische Flotte herum – warum steigen von ihren Flugzeugträgern nicht hundert Maschinen auf und machen diesem Spuk ein Ende? Warum schweigt unsere Regierung in London? Lauter Waschlappen! Europa ist faul bis auf die Knochen, wenn es sich von diesen revolutionären Terroristen erpressen läßt! Früher war das anders, ja früher!
Wissen Sie, was wir Engländer mit dem Aufstand des Nena-Sahib in Indien gemacht haben? 1857 war das! Da wurde Humanität noch Gehorsam genannt! Aber heute? Schlappschwänze überall! Lassen sich Flugzeuge entführen und geben auch noch der Erpressung nach.«
»Und was sollten sie – nach Ihrer Meinung – tun?«
»Die Geiseln opfern und draufschlagen!« Der Londoner Arzt schnaufte erregt und bekam einen hochroten Kopf. »Entsetzlich natürlich, fast dreihundert unschuldige Frauen, Kinder und Männer zu opfern – aber sie müssen der Preis sein, damit hier endlich Ruhe herrscht! Kleines Opfer für großen Nutzen! Soll sich die Welt so weiterentwickeln?«
»Nein.« Vandura deckte Miß Fulham zu. Sie schlief mit einem Lächeln. »Bloß das nicht. Die Welt wird erst Ruhe haben, wenn Menschen wie Sie sicher vor Wiederauferstehung zwei Meter unter der Erde liegen.«
»Aha! Der Hakim-Pascha!« schrie der Arzt. »Der Rote! Man sollte auch Sie erschießen!«
»Man braucht mich noch.« Vandura neigte etwas den Kopf. »Dann werden sie Ihrem Wunsche nachkommen, denke ich. Wenn alles vorbei ist, bin auch ich lästig – den einen wie den anderen. Ein Esel, den beide Parteien prügeln, bis er zusammenbricht.«
»Und trotzdem helfen Sie diesen Gesetzlosen?«
»Ich bin Arzt, verehrter Kollege. Man braucht mich als Arzt. Und woher sie auch alle kommen, sie haben eins gemeinsam: Sie sind Menschen. Verstehen Sie das?«
»Nur halb …« Der Londoner Arzt lächelte verzerrt. »Sie Idealist!«
»Auch die muß es geben.«
Auf dem Flur stieß Vandura gegen Laila. Sie hatte neben der Tür gewartet und sprang ihn jetzt an wie eine Katze. Sie trug Männerkleidung – Stiefel, Hose, Feldbluse und eine weite Mütze, unter der ihre schwarzen Haare verschwanden. Sie sah aus wie ein Junge, der das Soldatenspielen zum Ernst erhoben hat.
»Wer ist sie?« fragte sie und hängte sich an seinen Hals. Sie verkrampfte die Hände hinter seinem Nacken und hob die Beine vom Boden. So mußte er sie tragen, und er ging zur Wand und stemmte sie dagegen. Sie seufzte. »Wer ist dieses Weib?«
Vandura atmete tief auf.
Katja und Laila – das war wie der Kampf zweier Sonnen um die Herrschaft über die Erde. »Wer hat dir von ihr erzählt?« fragte er. Lailas Augen blitzten voll Haß.
»Ich habe gesehen, wie sie dich geküßt hat! Und du hast dich nicht gewehrt.«
»Du hast es gesehen?« Vandura ließ Laila zu Boden gleiten. Kaum stand sie, riß sie seine Hand hoch und biß hinein. Vandura knirschte mit den Zähnen, aber er schrie nicht auf oder riß seine Hand zurück.
»Ich
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