Der Wüstenpalast
dass er mich so mit dem Rücken an die Wand gestellt und zur Kapitulation gezwungen hat!
“Was ist denn nicht in Ordnung,
sitt?”
, fragte eine Stimme hinter ihr.
“Alles!”, schluchzte Bethany, ehe sie die Sprecherin anschaute.
“Prinz Razul ist sehr böse gewesen. Er war furchtbar besorgt um Ihre Sicherheit. Aber an einem solchen Tag sein Zorn wird dahinschmelzen.”
Niedergeschlagen blickte Bethany in Zulemas mitleidiges Gesicht, als das Mädchen scheu nach ihrer linken Hand griff und beim Anblick der Kratzer beunruhigt mit der Zunge schnalzte.
Sanft drückte Zulema Bethanys Hand in eine Schüssel mit warmem Wasser, dem der scharfe Geruch eines Antiseptikums entströmte. Es tat höllisch weh.
“Ich habe gehört, dass Ihre Familie von Fatima bedroht wurde”, brachte Bethany schließlich hervor.
“Aber ich muss diese Drohung nicht mehr fürchten”, lächelte Zulema. “Jetzt meine Familie lebt in Prinz Razuls Schutz. Er wird meinem Vater eine neue Arbeit geben.”
“Das freut mich.” Bethanys Atem kam noch ein wenig abgehackt von ihrem Heulanfall.
“Ich bin froh, dass unser Prinz die Prinzessin Fatima nicht heiratet”, vertraute Zulema ihr an. “Das war der Wunsch des Königs, aber diejenigen, die sie gut kennen, haben das nicht gewünscht.”
Fatima hatte sich also königlicher Zustimmung erfreut. Das zu erwähnen, hatte Razul geflissentlich unterlassen. Kein Wunder, dass die brünette Schöne Bethany gegenüber so feindselig eingestellt gewesen war.
“Was Sie in dem Hof sahen … Haben Sie kein Mitleid mit ihr.” Zulemas Miene war ungewohnt sarkastisch. “Sie hat eine große Szene gemacht, um zu beschämen Prinz Razul, damit er Sie fortschickt. Es ist nicht richtig, wenn eine Frau einen Mann auf diese Weise verlegen macht. Wenn ihr Vater davon hört, wird sie fortgeschickt! Es ist eine Schande für ihn.”
Zulema legte ein Pflaster auf die Kratzwunden, dann erhob sie sich und klatschte in die kleinen Hände. Sogleich erschienen ihre beiden Helferinnen, beladen mit den unterschiedlichsten Gegenständen. Außerhalb des Zeltes war wortreiches Geschwätz zu hören.
Schmiedeeiserne Gestelle wurden aufgestellt und Weihrauchstäbchen angezündet, deren schwerer Duft die stille, heiße Luft erfüllte. Eine Aluminiumbadewanne wurde an Bethany vorbei hereingeschleppt und hinter einem Sichtschutz im hinteren Teil des Zeltes niedergesetzt. Eimer voll dampfend heißen Wassers wurden einer nach dem andern hereingebracht.
Erstaunt verfolgte Bethany all dies, bis Zulema sie schließlich hinter die Abschirmung zog.
Ernsthaft bedeckte das kleine Kammermädchen die Augen. “Ich nicht schauen,
sitt
… nur helfen.”
Bethany musste lachen, und ihre Anspannung verflog auf einmal. Warum auch nicht? Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass Razul es nicht wirklich ernst gemeint haben konnte mit seiner Drohung, sie zu seiner Frau zu machen. Das wäre einfach zu lachhaft. Er hatte lediglich im Zorn gesprochen. Es war zwar eine sehr melodramatische Drohung gewesen, aber eben auch sehr arabisch und ganz nach Razuls Art.
Bethany würde seine Gastfreundschaft noch für ein paar weitere Tage in Anspruch nehmen und sehen, wie es ihr dann ging. Es gibt wirklich keinen Grund, dass ich nach Hause flüchte wie eine viktorianische Jungfrau, sagte sie sich. Das wäre nur eine Wiederholung derselben Feigheit, die ich in England damals gezeigt habe. Und warum sollte ich, wenn ich schon mal so weit gefahren bin, die Gelegenheit nicht nutzen, um Razul besser kennenzulernen? Was kostet mich das schon? Und in der Zwischenzeit kann ich sogar auch mit meiner Forschungsarbeit beginnen …
Bethany ließ sich wohlig in das warme, parfümierte Wasser sinken und akzeptierte Zulemas Hilfe. Gehorsam beugte sie den Kopf, während ihr Haar sorgfältig nass gemacht und dann einschamponiert wurde. In Handtücher gehüllt, kam Bethany danach wieder hinter dem Schutzschirm hervor und nahm Platz, um sich das Haar kämmen und die Nägel lackieren zu lassen.
Wozu dieser ganze Aufwand? fragte sie sich.
“Sie sehen müde aus,
sitt.
Legen Sie sich hin und ruhen Sie eine Weile”, drängte Zulema sie. “Die Party wird viele Stunden dauern.”
Party? Irgendjemand gab also ein Fest. Ihre Neugier befriedigt, legte Bethany sich lächelnd hin. Sie konnte einen Hubschrauber hören.
Als Bethany erwachte, hörte sie den Hubschrauber immer noch, oder waren es gar mehrere? Es überraschte sie, dass sie offenbar einige Stunden lang geschlafen
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