Der Wüstenpalast
Blut geschriebene Drohung.
Seine Miene hart wie Stein, machte Razul auf dem Absatz kehrt und verließ mit wehenden Gewändern das Zelt.
5. KAPITEL
Ich und bis heute Abend seine Frau. Ha, von wegen! dachte Bethany. Razul ist doch komplett verrückt. Je schneller ich in diesem Hubschrauber bin, desto besser. Freiheit, ich komme!
Razul hatte beschlossen, die Angelegenheit zu beschleunigen und eine Entscheidung zu erzwingen.
Tja, aber da hat er sich gehörig verrechnet, sagte Bethany sich voller Genugtuung. Mein kleines Nahostabenteuer ist zu Ende, und darüber bin ich mehr als dankbar!
Ihr Blick fiel auf den Koffer, den sie seit ihrer Ankunft am Flughafen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Razul hatte ihn mitgebracht, das war eindeutig. Also hatte er es von Anfang an geplant, Bethany vor die Wahl zu stellen.
Mit fliegenden Fingern suchte sie in ihrer Tasche nach den Kofferschlüsseln und öffnete dann den Koffer. Ganz bestimmt würde sie nicht mit einem Kaftan und seidenen Pantoffeln am Flughafen von Al Kabibi erscheinen!
Wieso habe ich bloß den Koffer nicht schon früher gesehen? Dann wäre es mir erspart geblieben, mich so zum Narren zu machen. Dass ich mich tatsächlich dazu herabgelassen habe, mich Razul förmlich wie auf einem Silbertablett zu servieren! Hätte ich doch nur den Mund gehalten, dann hätte ich den Hubschrauber bestiegen, und meine Würde wäre gewahrt geblieben!
Bethany ließ sich Zeit beim Umziehen. Sie wählte eine leichte Baumwollhose und ein weites weißes T-Shirt. Danach kämmte sie sich die Haare und schaute schließlich auf die Uhr. Fünfzehn Minuten waren vergangen.
Sie durchquerte das Zelt, schob die prächtigen Teppiche am Eingang zur Seite und blickte hinaus. Das gleißende Sonnenlicht wurde vom Rumpf des silbernen Hubschraubers, der auf dem zentralen Platz des Lagers stand, so stark reflektiert, dass es einen fast blendete. Bethany brach der Schweiß aus. Sie hob den Koffer an.
Du wirst ihn nie wiedersehen.
Ich kann damit umgehen … Natürlich kann ich das. Bin ich nicht siebenundzwanzig Jahre gut zurechtgekommen, ohne mich je von einem Mann abhängig gemacht zu haben?
Nie mehr, das ist eine lange Zeit.
Zähneknirschend fuhr sie sich durchs Haar. Zum Teufel mit dem Kerl! Ich bin stärker als das hier. Ich werde tun, was die Vernunft gebietet, egal, wie hart es für mich ist, verdammt noch mal!
Ihr ganzes Leben lang war Bethany klug, praktisch und realistisch gewesen. Keine Ausrutscher, keine albernen romantischen Phantasien … Na ja, nur eine einzige, gestand sie sich widerstrebend ein.
Ihn.
Als Razul ihre Bücher von den Stufen der Bibliothekstreppe aufgehoben und sie mit diesem unglaublichen, charmanten Lächeln angelächelt hatte, hatte er ihr irgendwie einen Teil von ihr geraubt, den sie nie wieder zurückbekommen hatte. Seit damals – immer dieses nagende Gefühl von Verlust, Getrenntsein, Einsamkeit. Bethany hatte ihn dafür gehasst, dass er eine solche Macht über sie besaß. Und nun, da sie gegen ein Verlangen ankämpfte, das ebenso erschreckend irrational war wie das ihr gänzlich unvertraute Gefühl absoluter Ohnmacht, das sie unbegreiflicherweise lähmte, hasste sie ihn noch viel mehr.
Nie mehr …
Was ist schon der Unterschied zwischen einer Affäre und einer Ehe auf Zeit? regte sich da eine heimtückische, kleine Stimme in ihrem Innern. Entsetzt über diesen verräterischen Gedanken, der plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht war, presste Bethany die Hände an die heißen Wangen. Krampfhaft versuchte sie, die beharrliche Stimme zum Schweigen zu bringen. Alles in Bethany sträubte sich dagegen, in einer solch unmöglichen Lage gefangen zu sein. Sie hatte gar keine freie Wahl, denn die einzige Alternative war ja die, Razul niemals wiederzusehen. Und Razul würde zu seinem Wort stehen, daran gab es keinen Zweifel.
Überwältigt von dem grausamen Widerstreit ihrer Gefühle, sank Bethany auf den Rand ihres Koffers. Sie durchlebte Folterqualen. Das Wort
niemals
stand wie eine riesige Mauer zwischen ihr und der Freiheit, nach der sie sich sehnte …
Die Rotorblätter des Hubschraubers begannen sich in einem lärmenden Wirbel zu drehen, und die Zeltwände bauschten sich. Zu ihrer eigenen Bestürzung brach Bethany in eine Tränenflut aus. Sie verachtete sich selbst, und sie hasste Razul. Er hatte sie in die Enge getrieben und sie dann in eine Falle laufen lassen, die sie erst erkannt hatte, als es längst zu spät war.
Das werde ich ihm nie verzeihen,
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