Der Wuestenplanet - Paul Atreides
heißen Wind. Alle warteten darauf, dass er sich an die Volksmassen wandte.
Leise sagte Paul zu Stilgar, der auf einem verwitterten Felsen stand: »Als wir auf der Ebene von Arrakeen gekämpft haben, waren die Grenzen zwischen Gut und Böse klar gezogen, Stil. Wir wussten, wo wir im Kampf gegen die verbündeten Häuser standen, und nutzten unsere moralisch überlegene Position, um unsere Kämpfer zu rekrutieren und zu inspirieren. Doch in meinem Djihad sind bereits so viele gestorben, viele davon unschuldig. Früher oder später wird man sagen, dass ich schlimmer war, als die Harkonnen und die Corrinos es jemals hätten sein können.«
Stilgar wirkte empört. Seine Überzeugung war nicht ins Wanken geraten, nicht einmal nach dem, was er bei der Plünderung Kaitains gesehen hatte. »Usul! Wir setzen Gewalt nur zur Säuberung ein, um das Böse fortzuspülen und Leben zu retten. Gäbe es deinen Djihad nicht, würden noch viel mehr sterben. Das weißt du. Deine Visionen haben es dir verraten.«
»Du sagst die Wahrheit, aber ich fürchte, dass es etwas gibt, was ich nicht bedacht habe, einen anderen Weg, den ich stattdessen hätte einschlagen sollen. Ich kann nicht einfach alles hinnehmen. Ich muss weitersuchen.«
»In deinen Träumen?«
»Auch in bewussten Vorahnungen und mit Mentatenlogik. Doch alles führt mich immer wieder auf denselben Weg zurück.«
»Dann gibt es keinen anderen Weg, Usul.«
Diese Aussage brachte Paul zum Lächeln. Wenn er sich nur so absolut sicher hätte sein können wie Stilgar. Der Naib war schon immer ein Mann gewesen, für den es keine Zwischentöne gab.
Als es an der Zeit war, zur Menge zu sprechen, stieg Paul die Stufen zu dem gewaltigen Monument empor, das man ihm zu Ehren errichtet hatte und bei dem es sich um die lebensgroße Nachbildung eines Sandwurms handelte, die von einem bekannten – und begeistert konvertierten – Bildhauer von Chusuk angefertigt worden war. Plaketten am Podest der Statue zeigten die Namen aller Welten, die sich Muad'dib bislang ergeben hatten. Es gab zahlreiche leere Plaketten, die auf weitere Siege warteten.
Jetzt war eine zeremonielle Geste nötig. Mit einem Bringerhaken in der Hand, der allerdings nur als Requisit diente, stieg Paul die Stufen an der Seite des grauen Ungeheuers aus Plastein hoch, dessen augenloser Kopf dem Talkessel weiter unten und der weitläufigen Stadt Arrakeen zugewandt war. Stilgar folgte ihm mit seinem eigenen symbolischen Bringerhaken.
Als sie Seite an Seite auf dem Kopf der großen Wurmnachbildung standen, verankerten sie ihre Haken in den gemeißelten Segmentringen und warfen sich in Pose, als ob sie erneut mit dem Giganten in die siegreiche Schlacht ritten. Hinter ihnen, auf dem Rücken der Statue, standen echte Fremen-Krieger in ähnlichen Posen. Die Jubelrufe der Soldaten wurden von der Menge erwidert, und der wilde Lärm schwoll an, bis man ihn selbst in der Stadt hören konnte.
Vor Jahren, bei der Vorbereitung seines Sohnes auf die Gefahren von Arrakis, hatte Herzog Leto ihm geraten, sich den lokalen Aberglauben zunutze zu machen, dass Paul vielleicht der langerwartete Mahdi sei, der Lisan-al-Gaib. Doch nur, wenn es absolut notwendig war. Nun nahm all dies Ausmaße an, die weit über alles hinausgingen, womit sein Vater je gerechnet hatte.
Donnernd erklang Pauls Stimme. Sie wurde von Lautsprechern an der Wurmskulptur übertragen. »Heute bin ich in aller Bescheidenheit hierhergekommen, um die Krieger der Fremen und der Atreides zu ehren, die am Schildwall und im Talkessel dort unten starben, um uns von der Tyrannei zu befreien.« Ohrenbetäubender Jubel brandete auf, doch Paul hob die Hände, um die Menge zum Schweigen zu bringen. »Lasst euch dies von den Lippen Muad'dibs gesagt sein. Wir haben die Eröffnungsschlachten des Djihads gewonnen, aber es werden noch viele Kämpfe folgen.«
Der heilige Krieg wurde allmählich zu einem lebenden Wesen mit eigenem Antriebsmoment, und er war sein Katalysator. Paul wusste, dass er auch in moralischen Schlachten siegen musste, dass er Herausforderungen bestehen musste, in denen es keine eindeutigen Sieger und Verlierer geben würde, sondern nur unklare Ergebnisse. Eines Tages, wenn diese Phase des Djihads abgeschlossen war, wäre Zeit zum Nachdenken, und dann würde das Volk seine Fehler und Schwächen als Herrscher erkennen und feststellen, dass er kein Gott war. Das würde der Anfang des Verstehens sein ... doch bis dahin würde noch viel Zeit verstreichen.
Nachdem sie die
Weitere Kostenlose Bücher