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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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vorübergehenden Cha­ rakter des Lebens hervorhob:
    »Das Leben und die Sorgen, vorbei sind sie schon morgen…«
    Korpela fuhr schnell, Oberst Kemppainen hatte Mühe, mit dem Pkw hinterherzukommen. Dem Oberst kamen Bedenken, dass sie einen Unfall verursachen oder in eine Polizeikontrolle geraten könnten, aber Helena Puu­ saari fand, dass er sich grundlos sorgte. Wenn das Auto in den Straßengraben fuhr, was machte das schon, man wollte sich ja ohnehin umbringen. Sie hatte eine ange­ brochene Flasche Champagner mit ins Auto genommen, lehnte sich gefühlvoll an die Schulter des Oberst und summte mit weicher, trunkener Stimme Lieder der Gräfin Mariza aus Kaimans gleichnamiger Operette. Ihr betäubendes Parfüm duftete im Auto, ihre bestrickende Weiblichkeit verwirrte die Gedanken des Oberst. Er kam zu der Überzeugung, dass es letzten Endes gar keine so üble Sache war, Selbstmord zu begehen.
    Man hatte inzwischen wohl schon die Provinz Savo erreicht, als Rauno Korpela beim Fahren einnickte. Das war kein Wunder, denn schließlich war er nun schon fast zwei Tage und Nächte hintereinander ohne Schlaf ausgekommen; erst war er von Pori nach Häme gefah­ ren, dann hatte er mit der Gruppe eine Probefahrt durch Häme gemacht, und jetzt hatte er den Bus noch mitten in der Nacht nach Savo gesteuert, dort jedenfalls glaubte sich die Gruppe zu befinden. Korpela war insofern ein Vollprofi in seinem Beruf, als er nicht pflichtvergessen am Steuer einschlief, sondern den Bus im Halbschlaf an den Straßenrand lenkte und den Motor ausschaltete. Erst dann schaltete er bei sich selbst die Sicherung aus.
    Vom Fahrersitz ertönte Schnarchen. Korpela wurde in das Beratungsabteil hinten im Bus geschafft und auf eine Bank gelegt. Der Feldwebel d. R. Jarmo Korvanen hatte einen Führerschein, der ihn zum Fahren von Lastwagen berechtigte, und er konnte den Motor wieder starten. Mehr schlecht als recht fuhr er den Bus einen Kilometer weiter, dort fand er einen passenden Parkplatz auf dem Grund einer Kiesgrube. Das Fahrzeug wurde dort abgestellt, aber das Lager mochte man in der un­ wirtlichen Grube nicht aufbauen. Im Dämmerlicht der Sommernacht irrte die Gruppe durch die nähere Umge­ bung, geriet dabei auf ein offenes Feld und beschloss, sich dort niederzulassen. Uula Lismanki nahm die Zügel in die Hand, und bald war das Mannschaftszelt aufge­ baut. Auf den Boden kam eine Schicht Blätter als Unter­ lage. Vor dem Schlafengehen wurde der restliche Cham­ pagner ausgetrunken. Uula entzündete vor dem Zelt ein Lagerfeuer, in dessen Lichtschein die Selbstmörder beisammensaßen und über alles Mögliche schwatzten. Sie waren allgemein mit dem Ausflug zufrieden. Bisher war es wundervoll gewesen. Wenn es so weiterginge, hätte niemand Grund zum Klagen. Als auch die letzte Flasche geleert war, legten sie sich bunt durcheinander schlafen, Männlein und Weiblein einträchtig nebenein­ ander.
    Ein Wiesenschnarrer schrie in der Sommernacht, die kleinen Frösche hüpften im Heu, und irgendwo hoch oben brummte ein Düsenjäger, der sich auf dem Nacht­ flug befand. Das Feuer der Selbstmörder erlosch. Ein kleines Füchslein kam und schnüffelte neugierig herum. Es leckte geschickt einen Rest Champagner auf, der in einem Pappbecher zurückgeblieben war, und fing sich als Leckerbissen dazu einen kleinen Frosch. Im Zelt war das Atmen schlafender Menschen zu hören, jemand hustete, ein anderer redete im Schlaf.
    Oberst Kemppainen blickte aus seinem Auto aufs Feld: Nächtlicher Nebel bedeckte schützend das graue Zelt und die darin schlafenden geplagten Menschenkin­ der. Kemppainen dachte bei sich, dass dies bestimmt das rührendste Lager und die düsterste Kriegstruppe Finnlands war.
    »Ruhet in Frieden«, sprach der Oberst leise. Sein Wunsch war auch an Helena Puusaari gerichtet, denn die rothaarige, energische Frau war ebenfalls zur Ruhe gekommen, sie schlief tief und fest auf dem Beifahrersitz des Autos. Der Oberst trug sie in den Bus, wo sie be­ quemer lag. Sie war eine schwere, aber angenehme Last. Der Oberst dachte nebelhaft, dass hier auf seinen Ar-men eine große, schöne Frau ruhte, mit der er den Rest seines Lebens glücklich sein könnte, womöglich in einer Ehe, auf ewig. Aber auch sie würde bald sterben, darauf lief die Reise hinaus, die sie alle gemeinsam angetreten hatten. Er würde wieder Witwer sein, wenn er sich nicht selbst ebenfalls umbrächte. So war es besprochen und beschlossen worden. Ziemlich traurige Sache.
    Der Oberst

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