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Der wunderbare Massenselbstmord

Titel: Der wunderbare Massenselbstmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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die Felder auf eine abgelegene Weide. Kati schlief immer noch, die Gardinen am Schlafzimmerfenster waren zugezogen.
    Mürrisch trieb Urho seine zwölfköpfige Kuhherde über den schmutzigen Weg. Das vom Morgentau feuchte Gras duftete kräftig, aber das konnte Urhos Stimmung nicht wesentlich heben. In der Tiefe seines Herzens lag bleiern die Erkenntnis, dass sein Leben ausgesprochen fad war. Manchmal hatte er daran gedacht, sich umzubringen. Oder er könnte erst Kati und die Tochter erschießen und sich dann selbst eine Kugel in den Schädel jagen. Wenn er ununterbrochen saufen würde, eine ganze Woche lang, wäre er vielleicht zu einer solchen Tat fähig.
    Urho Jääskeläinen war so vertieft in seine trüben Gedanken, dass er das Armeezelt, das mitten auf seinem Feld aufragte, erst bemerkte, als er mit seiner Herde unmittelbar davor stand. Er war verblüfft: Was hatte das zu bedeuten? Fand in Juva ein Manöver statt? Mit welchem Recht zertrampelte die Armee seine Felder und lagerte im Grünfutter, das sich gerade in der besten Wachstumsphase befand?
    Urho riss die Zeltöffnung auf und brüllte einen Weck­ ruf. Er hatte eine dröhnende Kommandostimme, denn er hatte seinen Wehrdienst in Vekarajärvi abgeleistet und es bis zum Unteroffizier gebracht.
    Unteroffizier Jääskeläinens Verblüffung wuchs, als aus dem Zelt statt verschlafener Rekruten ein verkater­ ter und gereizter Offizier kroch. Urho erschrak, da schob sich wahrhaftig ein richtiger Oberst durch die Öffnung, in voller Uniform mit allem Drum und Dran, am Kragen drei goldene Rosetten. Urho Jääskeläinen nahm instink­ tiv Haltung an und meldete:
    »Herr Oberst! Unteroffizier Jääskeläinen, Mannstärke eins plus zwölf…«
    Urho ärgerte sich. Verdammt, er war ja Zivilist, er war der Besitzer dieses Feldes und des ganzen Bauernhofes, was musste er hier mitten auf dem Acker vor einem unbekannten Offizier Kratzfüße machen. Mit rotem Gesicht verzog er sich zwischen seine Kühe. Die hatte er auch mitgemeldet, verflucht.
    Oberst Kemppainen reichte ihm die Hand und fragte, in welchem Dorf er mit seiner Gesellschaft übernachtet habe. Urho erzählte, dass der Herr Oberst jetzt in Rönt­ teikkösalmi auf Jääskeläinens Bauernhof sei. Komischer Vogel, wusste nicht mal, wo er war.
    Jetzt waren auch die übrigen Zeltinsassen aufgestan­ den und scharten sich um den Oberst und den Bauern. Zivilisten, stellte Urho fest. Frauen und Männer, wirkten reichlich seltsam. Er zählte mindestens zwanzig Men­
    schen, die aus dem Zelt krochen. Städter konnten sich’s eben leisten, mitten im Sommer in der Gegend herum­ zufahren und anständigen Leuten die Felder zu versau­ en.
    Der Oberst fragte, ob es weit bis zum nächsten Kirch­ dorf oder zur Stadt war. Und welche wäre es, Heinola oder Lahti?
    Urho Jääskeläinen sagte, dass man sich in der Ge­ meinde Juva befinde. Heinola sei weit weg, Lahti noch weiter. Die nächste Stadt sei Mikkeli, und fast ebenso nahe seien Savonlinna und Varkaus. Auch nach Piek­
    sämäki sei es nicht weit.
    »Aha… seltsam… und ich dachte, wir sind immer noch westlich von Mikkeli. So schnell kann es gehen. Nun, was macht es schon, wo man sich jeweils befindet. Und wir haben auf Ihrem Feld gelagert?«
    »Das haben Sie. Ohne Erlaubnis, und auch noch mit­ ten im besten Grünfutter.«
    »Wir werden Ihnen den Ernteverlust natürlich erset­ zen«, versprach der Oberst bereitwillig.
    Urho Jääskeläinen brummelte in sich hinein, ob der Oberst glaubte, dass er das zertrampelte Feld mit Geld ersetzen konnte. So einfach ging das nicht. Aber wie wäre es, wenn die Leute arbeiten würden? Das Vergnü­ gen könnte er ihnen auf seinem Hof reichlich bieten.
    »Geld will ich nicht. Aber ihr könntet Rüben verzie­ hen… wenn ihr schon herkommt und auf meinen Fel­ dern rumtrampelt.«
    Die Selbstmörder erklärten, dass sie gern in den Rü­ ben arbeiten wollten, wenn der Bauer Hilfskräfte brauchte. Landarbeit war als intensive Therapie anzu­ sehen. Aber zuerst mussten sie ein Frühstück haben und sich irgendwo waschen. War hier vielleicht ein See in der Nähe, in dem sie baden konnten?
    »Gewiss, Wasser haben wir hier in Savo genug«, er­ klärte Urho, der schon dabei war, sich den Nutzen aus­ zurechnen, den ihm die überraschend aufgetauchten Arbeitskräfte auf seinen Zuckerrübenschlägen einbrin­ gen würden. Hier standen mehr als zwanzig müßige Touristen, einige waren zwar ziemlich alt, aber jeder arbeitet, so gut er kann…

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