Der wunderbare Massenselbstmord
Geschäft seines Lebens zu machen. Ohne Zuzahlung käme er ans Lenkrad eines luxuriösen Reisebusses. Die Fahrzeugpapiere waren in Ordnung, der Bus war vollständig bezahlt. Begriff der andere gar nicht, dass er die einzigartige Gelegenheit hatte, hier auf der Landstraße Geld zu machen?
Der norwegische Fahrer bekam den berauschenden Gedanken plötzlichen Reichtums nicht in seinen Kopf. Korpela bat nun die norwegischen Reisenden, sich seinen Bus anzusehen. Freudig folgten sie seiner Einla dung. Sie fanden, dass es ein prima Geschäft wäre, und warfen ihrem Fahrer seine übertriebene Feigheit vor. Man musste die Gelegenheit beim Schopfe packen, wenn einem ein so vorteilhafter Tausch angeboten wurde. Sie kannten allerdings ihren Fahrer und hielten ihn sowieso für unentschlossen und zu bürokratisch.
Das machte den norwegischen Fahrer wütend, und er wurde immer bockiger. Er erklärte, dass er unmöglich mitten auf der Landstraße einen Autohandel tätigen könne, der Bus gehöre ihm nicht, er sei Eigentum des Staates, ihm als Fahrer sei nicht erlaubt, den Bus an andere weiterzugeben. Auch dann nicht, wenn er zum Tausch ein weitaus besseres Fahrzeug bekäme.
Über das Problem entspann sich ein Streit zwischen dem Fahrer und seinen Passagieren. Die Einheimischen hätten es gern gesehen, dass der neue Bus auf der Strecke zwischen Alattio und Hammerfest verkehrte, aber der Trottel von Fahrer war nicht zu dem Tausch zu bewegen. Im Gegenteil, er fing immer wieder von seinem Fahrplan und von den Besitzverhältnissen an. Ein ech ter Hornochse, fanden die Passagiere einhellig. Auch Korpela wurde der Sache überdrüssig und zog sein fürstliches Angebot zurück. Er stieg mit seiner Dolmet scherin in seinen Bus und brauste davon. Der widerbor stige Linienbusfahrer setzte verbissen seine fahrplan mäßige Tour nach Hammerfest fort. Die Passagiere beschimpften ihn auf der ganzen restlichen Wegstrecke.
Nachdem Korpela knapp eine Stunde zügig gefahren war, erreichten sie wieder das Eismeer. Sie waren im Ort Porsangvik. Je weiter die Reisenden vorankamen, desto schweigsamer wurden sie. Der Anblick der dunkelgrau en Wellen des Eismeeres ließ sie gänzlich verstummen. Es war kein Wunder, denn jene schaumbedeckten Flu-ten dort unten würden ihr Grab sein – wenn der Bus erst die Mündung des Fjords und dann nach zehn See meilen die Insel Mageröy erreicht hätte, an deren Nord zipfel sich die öde Landspitze des Nordkaps ins eisige Polarmeer hinausschob.
Der Rest der Fahrt verging viel zu schnell, es war, als würde das Nordkap dem ankommenden Bus entgegen stürzen. Die Überfahrt auf der Fähre dauerte nur einen flüchtigen Augenblick, so schien es allen, und schon war man wieder auf festem Boden. Korpela zögerte nicht, sondern brauste geradewegs von Honningsvag zum Nordkap. Der nördlichste Felsabhang der Welt war spätabends erreicht. Korpela stoppte den Bus einen Kilometer vor der Spitze und forderte Uula Lismanki und Seppo Sorjonen auf, ihre Sachen und ihr Brennholz an sich zu nehmen und sich zu verabschieden. Hier war ein geeigneter Lagerplatz für sie. Sie könnten zum Ab-hang vorlaufen und zusehen, wie er, Korpela, seinen Bus auf Touren brachte und damit durch die Absper rung ins Meer raste.
»Schade, dass wir keine Videokamera haben, das würde ein sagenhafter Film werden!«, sagte Uula Lis manki bedauernd, während er zusammen mit Sorjonen das Brennholz auslud und in die Tundra warf. Sie durf ten sich auch Proviant für zwei Personen mitnehmen.
»Und der Schnaps? Es wäre doch schade, ihn im Eis meer zu versenken«, meinte Uula. Es stimmte, die fünf undvierzig Flaschen, die Heikkinen gekauft hatte, waren fast gänzlich unberührt. Heikkinen selbst hatte eine Flasche geleert und eine zweite angefangen, die anderen Mitglieder der Gruppe hatten während der Fahrt kaum etwas getrunken. Der Oberst stimmte zu, dass es keinen Grund gab, die ganze Schnapsladung zu vernichten, und stellte Uula die Flaschen ins Heidekraut. Das Auge des Rentiermannes glänzte beifällig.
Auch Rellonen und Lämsä trafen mit dem Wagen des Oberst ein. Dieser bat sie, seine Autoschlüssel an Sorjo nen zu übergeben. Er fand es sinnlos, zwei Fahrzeuge zu vernichten, wenn alle Todeskandidaten in einem Platz hatten. Er sagte Rellonen und Lämsä, dass es nun an der Zeit sei, in den Bus einzusteigen. Ziemlich langsam folgten sie seiner Aufforderung.
Korpela startete den Bus. Der starke Motor brummte schicksalhaft.
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