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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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der Beiden Länder zu begeben.
    Unschlüssig blieb sie stehen und überlegte, was sie tun sollte. Dabei spürte sie die neugierigen Blicke der beiden königlichen Wachen auf sich ruhen, und mit einem Mal fiel ihr ein, dass sie an der Stelle, wo sie bisher den kupfernen Reif getragen hatte, nun einen hellen, vernarbten Abdruck besaß.
    Unwillkürlich musste sie an Turis Worte denken. Er hatte ihr gesagt, dass man daran jeden Unfreien erkennen konnte. Zudem bekäme sie zuerst eine Tracht Prügel, bevor man sich nach dem Grund erkundigen würde warum sie ihren Armreif nicht trug.
    Schnell presste sie die Schriftrolle mit der Begnadigung an die Brust und bedeckte mit ihrer rechten Hand den Abdruck auf ihrem Oberarm. Dann wandte sie sich zum Gehen und sah sich völlig überraschend Prinz Sethi gegenüber, der sich ihr unbemerkt von hinten genähert hatte.
    »Na, Satra«, begrüßte er sie und verbesserte sich sogleich, »ich meine natürlich Meritusir. Was machst du hier noch so allein?« Er lächelte sie freundlich an, und verlegen senkte sie den Blick. »Komm, lass uns ein paar Schritte in den Park gehen«, forderte er sie auf. »Es wird dir dort sicher gefallen.« Er nahm sie beim Arm und zog sie sanft mit sich fort. Als sie ihm gehorsam folgte, ließ er sie wieder los.
    Gemächlich schritten sie durch die schattigen Gänge des Palastbereichs, in denen sich die Audienzräume und Schreibstuben der königlichen Schreiber und ihrer Gehilfen befanden. Von dort führte der Prinz sie über einen Hof zum Palastgarten, den zu betreten sich Meritusir noch ein paar Stunden zuvor niemals getraut hätte. Nun aber schlenderte sie mit dem Onkel des Pharaos Seite an Seite über die sauber angelegten Wege, die durch den Schatten hoher Bäume vor Res heißen Strahlen geschützt wurden. Jeder, der ihnen begegnete, verneigte sich ehrfürchtig vor dem Prinzen – und Meritusir sich vor ihnen. Sie kannte niemanden von denen, die ihren Weg kreuzten, und erachtete es deshalb für ratsam.
    »Setzen wir uns dort unter den Baum und reden wir.«
    Es war eine Aufforderung in einem freundlichen Ton, doch für Meritusir klang es wie ein Befehl. Aus den Augenwinkeln registrierte sie die hohen Damen und Herren, die verstohlen zu ihr und dem Prinzen herüberstarrten und hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln begannen.
    O Großer Gott Osiris, bitte, flehte sie innerlich, lass den Hohepriester auftauchen und mich aus dieser peinlichen Situation befreien.
    »Komm her zu mir und setze dich«, forderte Sethi sie abermals auf, der es sich bereits unter dem Baum bequem gemacht hatte.
    In einigem Abstand von ihm kam Meritusir dem nach, zog die Beine eng an ihren Körper und umschlang sie mit den Armen.
    »Mein königlicher Neffe hat dir also deine Freiheit wiedergegeben«, begann er die Unterhaltung, und sie nickte bloß.
    Das wirst doch nicht etwa du ihm eingeredet haben?, dachte sie, hielt aber den Mund.
    »Und was gedenkst du als Nächstes zu tun?«
    »Ich werde wie immer meiner Arbeit als Dienerin des Hohepriesters nachgehen«, erwiderte sie, und Sethi schmunzelte in sich hinein.
    »Das wird Amunhotep in Verlegenheit bringen. Er selbst hat in Abydos jeden Freien entlassen und erlaubt nur Priestern und Unfreien, dem Gott zu dienen. Und da du weder eine Priesterin noch eine Kriegsgefangene oder eine Leibeigene bist, müsste er somit gegen seine eigenen Regeln verstoßen.«
    Meritusir sah den Prinzen verdutzt an, denn daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Sethi hatte aber recht. Es gab tatsächlich keine freien Diener im Tempel des Osiris, doch dann würde sich das ab jetzt eben ändern müssen!
    Sie setzte eine gelassene Miene auf, die Sethi richtig deutete.
    »Du denkst, Amunhotep wird gegen seine eigenen Regeln verstoßen?« Er lächelte ihr milde ins Gesicht. »Nein, Meritusir, dann kennst du den Einzigen Freund des Königs schlecht. Das würde Amunhotep niemals tun. Also, was wirst du nun machen?«
    »Das weiß ich noch nicht«, erwiderte Meritusir trotzig und vermied es, Sethi dabei anzusehen. Auch wenn sie noch kurz zuvor unschlüssig gewesen war, was sie mit ihrer gerade zurückgewonnenen Freiheit anfangen sollte, so wollte sie ihm das nicht eingestehen. Zudem hatte die naseweise Stimme recht gehabt. Es gefiel ihr bei Amunhotep. Sie räusperte sich und fuhr fort: »Zuerst werde ich mich zum Anwesen meines Gebieters begeben. Er hat mich noch nicht aus seinen Diensten entlassen. Zudem werde ich darum kämpfen, dass ich auch weiterhin für ihn arbeiten

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