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Der Wunsch des Re

Der Wunsch des Re

Titel: Der Wunsch des Re Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Dietrich
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Stunde später kam er zurück und führte sie durch eine kleine Seitenpforte in den Arbeits- und Wohnbereich der Amun-Priesterschaft. Wenig später stand sie dem Ersten Propheten des Amun-Re gegenüber.
    »Du möchtest mich sprechen?«
    »Ja, Hoher Herr. Ich bin hier, um dich zu bitten, für mich um eine Audienz bei Seiner Majestät zu ersuchen. Mich nimmt nämlich leider niemand ernst. Ich bin sicher, wenn Seine Majestät wüsste, dass ich hier bin, würde er mich sofort zu sich bestellen.« Flehend ruhte Meritusirs Blick auf Nesamun.
    »Das glaube ich dir aufs Wort.«
    Es entstand eine kurze Pause, in der Nesamun sie eingehend musterte. Es war ihm bekannt, dass sie ein heiliges Zeichen trug, und er wusste, was es zu bedeuten hatte. Sie war von Osiris gesandt worden und sollte Ramses und seinem Sohn dienen.
    »Bist du wegen Amunhotep hier? Dann gedulde dich. Ich werde mich sofort darum kümmern. Wo wirst du wohnen?«
    Erstaunt sah die Wab-Priesterin Nesamun an, denn darüber hatte sie sich noch gar keine Gedanken gemacht. »Das weiß ich nicht«, antwortete sie überrumpelt. »Ich bin mit einer Barke des Osiris-Tempels hier. Sie liegt unten im Hafen. Da werde ich wohl schlafen.« Sie zuckte ratlos mit den Schultern.
    »Du bist jetzt Priesterin, habe ich recht?«
    »Ja, Hoher Herr, ich befinde mich aber noch in der Ausbildung.«
    Nesamun musste schmunzeln. »Du kannst in Opet-sut wohnen«, bot er ihr an. »Es gibt genug freie Kammern für Priester und natürlich auch Priesterinnen aus anderen Tempeln des Landes. Ich schicke einen Diener zum Hafen, der dein Gepäck holen wird.«
    Meritusirs Augen leuchteten erfreut auf. »Danke, Hoher Herr. Gerne nehme ich dein Angebot an.« Sie verneigte sich und trat anschließend verlegen von einem Fuß auf den anderen, sodass Nesamun nicht entging, dass ihr noch etwas auf dem Herzen lag.
    »Sage, was dich bedrückt!«, forderte er sie ohne Umschweife auf.
    Etwas unsicher räusperte sie sich. »Ich bin zwar nur eine Wab-Priesterin, aber ich bin somit eine Reine und darf das Heiligtum eines Gottes betreten. Erteilst du mir deine Erlaubnis, dass ich mir den großen Säulensaal ansehen darf?«
    »Den großen Säulensaal?« Verständnislos hob Nesamun die Brauen. »Warum gerade den Säulensaal?«
    Weil du mir sicher nicht erlauben wirst, in die Bibliothek zu spazieren, dachte Meritusir und antwortete: »Weil er wunderschön und erhaben sein muss ...« Sie zögerte, und in einem Anflug von Prahlerei fügte sie hinzu: »Vor allem, wenn man bedenkt, dass dort einhundertvierunddreißig gewaltige Pfeiler stehen.«
    Erstaunt riss Nesamun die Augen auf. »Woher weißt du das?«
    Meritusir machte eine nicht zu deutende Handbewegung. »Das kann ich dir nicht sagen, Hoher Herr. Ich weiß es eben.« Entschuldigend senkte sie den Blick.
    »Meinetwegen«, brummte er. »Wenn es deine Zeit erlaubt, darfst du dir ruhig den heiligen Bezirk des Gottes ansehen.«
    Beglückt hob Meritusir wieder den Blick und strahlte übers ganze Gesicht. »Ich danke dir, Hoher Herr.«
    »Gehe jetzt, und halt dich bereit. Ein Diener wird dir zeigen, wo deine Zelle ist. Dort warte, bis ich dich wieder holen lasse.«
    Nesamun gab Meritusir ein Zeichen, dass sie sich zurückziehen durfte. Dann läutete er nach einem Diener, der die Wab-Priesterin in den Wohnbereich der Tempelmusikerinnen brachte, wo sie in einem kleinen Raum eine gemauerte Bettstatt mit einem Strohsack sowie einen Schemel vorfand, auf dem sie sich erleichtert niederließ.
    »Wenn du etwas willst, rufe nach einem der Leibeigenen«, sagte der Mann und war im nächsten Augenblick verschwunden.
    Nesamun verfasste derweil eigenhändig ein paar Zeilen und befahl seinem Schreiber, die Mitteilung zum Palast zu bringen und sie nur dem Wesir persönlich zu übergeben. Zudem sollte er auf dessen Antwort warten.
    Eine Stunde vor dem dritten Ritual des Tages kam der Bote zurück und teilte Nesamun mit, dass der Pharao die Osiris-Priesterin umgehend sprechen wolle.
    Als Meritusir endlich Ramses gegenüberstand, waren beide allein im Arbeitszimmer des Herrschers. Selbst seinen Schreiber hatte Ramses hinausgeschickt, um ungestört mit der Priesterin reden zu können.
    »Ich weiß, weshalb du hier bist«, hob Ramses an. Er wirkte müde und abgespannt. »Ich glaube jedoch kaum, dass du deinem Herrn helfen kannst, Meritusir. Meine Schwester hat geschworen, dass Amunhotep sich an ihr vergehen wollte. Nur weil sie sich gewehrt und um Hilfe gerufen hat, ist nichts Schlimmeres

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