Der Wunschtraummann
bezahlen. Ich bin selber schuld, dass es mir keinen Spaß macht. Niemand sonst. Und ganz bestimmt nicht Seb.
Ich muss an ihn denken, wie er jetzt oben auf dem Berg steht. Zusammen mit seinen Freunden erlebt er jetzt sicher einen wunderbar aufregenden Tag mit Sonne und grandioser Bergkulisse und ein paar kleinen Zwischenstopps in den besten Bars und Restaurants oben an der Piste.
Bei diesem Gedanken fühle ich mich plötzlich schrecklich einsam. Einsamer, als ich mich je im Leben gefühlt habe – in dieser albernen Aufmachung, weit, weit weg von zu Hause und ohne irgendwen zum Reden, außer einem Haufen französischer Kinder.
Ich muss mich wirklich zusammenreißen, um nicht loszuheulen. Auch François hat, was mich angeht, die Hoffnung wohl bereits aufgegeben, denn er flirtet gerade fleißig mit einer braungebrannten Blondine in rosaroter Skihose. Vermutlich die Mutter einer der kleinen Kanonenkugeln, überlege ich, während ich zusehe, wie sie beide laut loslachen. Es ist, als wäre ich gar nicht da.
Na, wenn das so ist …
Entschlossen schultere ich mein Snowboard und marschiere dann rutschend und schlitternd in meinen dicken Skistiefeln die Piste hinunter. Langsam denke ich, beim ersten Mal hatte ich doch recht. Langsam denke ich, ich hätte nicht herkommen sollen.
Neunundzwanzigstes Kapitel
Ich gehe in ein Internetcafé und bestelle mir eine heiße Schokolade. Und ein Stückchen von diesem unglaublich köstlich aussehenden Kuchen. Na ja, schließlich komme ich gerade vom Sport. Wenn man Umfallen denn als Sport bezeichnen möchte, denke ich und setze mich ganz langsam und unter Schmerzen auf einen Stuhl.
Nach der Eiseskälte auf der Piste bin ich unendlich dankbar für das kuschelig warme Café. Ich ziehe die durchnässten Handschuhe aus, wärme meine Finger an der Tasse und nippe am Kakao. Er ist köstlich. Manchmal gibt es doch wirklich nichts Besseres als eine große Tasse heiße Schokolade.
Die nächsten paar Minuten sitze ich einfach nur fast wie in Trance da, esse Kuchen und trinke Kakao und spüre, wie langsam das Leben in meinen durchgefrorenen Körper zurückkehrt. Allmählich taue ich auf und fühle mich wieder wie ein Mensch, und mein Blick geht zu einem der bereitgestellten Computer. Wenn ich schon mal hier bin, könnte ich ja eigentlich auch gleich meine E-Mails checken, denke ich, stelle die Tasse ab und greife zur Tastatur.
Gerade logge ich mich ein, als ich mein Handy piepsen höre. Es ist eine SMS von Fergus:
Wie ist dein Wochenendtrip?
Und auf einen Schlag geht es mir besser. Eine SMS von einem lieben Freund zu bekommen heitert mich immer auf. Ich will Fergus gleich zurückschreiben, aber meine Finger sind noch ganz klamm und steifgefroren, und mit den kleinen Tasten dauert das alles ewig. Schließlich gebe ich auf. Lieber rufe ich ihn einfach an. Ich habe eine Nachricht von Vodafone bekommen, dass ich mein Handy nun zu einem supergünstigen Auslandstarif nutzen kann, und außerdem würde es mir gerade wirklich guttun, eine freundliche Stimme zu hören.
Schnell wähle ich seine Nummer, und er geht sofort ran.
»Sag mir bitte nicht, ihr seid gerade in einem todschicken Hotel in Paris, mit Champagner und roten Rosen überall«, witzelt er mit seinem irischen Akzent.
Warum müssen alle solche blöden Bemerkungen machen? Fiona hat genau dasselbe gesagt, als ich sie vorhin auf dem Weg zum Internetcafé angerufen habe, um mich nach Flea zu erkundigen. Und sie hat nicht mal versucht, ihre Enttäuschung zu verbergen, als ich ihr die Wahrheit sagte. Ihre Stimme klang plötzlich zwei Oktaven tiefer; war sie erst ganz hoch vor Aufregung, wirkte sie dann plötzlich tonlos und gelangweilt, und dann sagte sie unvermittelt, sie müsse auflegen, es habe an der Tür geklingelt.
»Nicht so ganz«, sage ich und rutsche mit meinem feuchten Po auf dem Stuhl herum. »Mit dem Land liegst du richtig, aber in Paris sind wir nicht. Ich bin zum Snowboarden in Chamonix.«
»Herrjemine.« Er klingt ehrlich beeindruckt. »Ich wusste gar nicht, dass du Snowboard fährst.«
»Tue ich auch nicht, ich bin ein hoffnungsloser Fall, aber Seb ist ein Vollprofi«, erkläre ich seufzend. Dann geht mir auf, dass ich wie ein Jammerlappen klinge, und ich versuche, die Sache ein wenig positiver zu sehen. »Ich versuche es gerade zum ersten Mal. Ich nehme sogar Unterricht. Hoffentlich habe ich den Dreh bald raus.«
»Schön, das freut mich für dich«, sagt er anerkennend. »Für mich wäre das nichts. Da würde ich einen
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