Der Wunschtraummann
wie jeder andere auch mal ein kleines Tief und braucht etwas, um wieder auf die Pfoten zu kommen.« Sie rührt noch energischer um.
»Haselnussmousse?« Ich muss ein Kichern unterdrücken.
»Ja, warum denn nicht?«, protestiert sie und schaut sich etwas pikiert um. »Weißt du, bloß weil Flea öfter bei dir im Bett schläft als bei mir, heißt das noch lange nicht, dass du seine geheimsten Gedanken kennst.«
»Na ja, zunächst mal ist Schokolade schädlich für Katzen …«, setze ich an.
»Schokolade ist eine gute Eisenquelle«, fällt Fiona mir besserwisserisch ins Wort, dreht sich zu mir um und schaut mich mit ernster Journalistenmiene an. »Darüber habe ich mal einen Artikel über 1000 Wörter für die Super Chic geschrieben.«
»Ja, aber Tiere sollen keine Schokolade fressen.«
»Tja, wir eigentlich auch nicht«, stimmt sie mir zu und schaut stirnrunzelnd an ihren Oberschenkeln hinab.
»Hast du nicht was vergessen?«, frage ich und ziehe eine Augenbraue hoch.
»Ach, verdammt«, quietscht sie und schreckt mit entsetztem Gesicht hoch. »Wusste ich es doch, dass ich an irgendwas denken sollte …« Blitzschnell wieselt sie zum Küchentisch und kramt hektisch in dem ständig wachsenden Berg aus Gesichtscremes und Haarpackungen herum, die sie unablässig von irgendwelchen PR -Firmen geschickt bekommt, in der Hoffnung, dass sie dann in ihrer Kolumne über das jeweilige Produkt schreibt. Inzwischen nimmt der Berg schon Himalaja-Ausmaße an, und ich habe heimlich Angst, eines Tages von der Arbeit nach Hause zu kommen und Fiona unter einer Lawine aus Kosmetikprodukten begraben zu finden.
Ich kann mir schon genau die Schlagzeile ausmalen:
Schönheits- und Gesundheitsjournalistin lebendig unter Collagen-Booster-Feuchtigkeitspräparaten begraben
Einsatzkräfte versuchten stundenlang vergeblich, die Verschüttete auszugraben, doch gegen die schiere Anzahl und Masse der Haarpackungen waren sie machtlos. Die fassungslose Mitbewohnerin des Opfers, Tess Connelly, sagte dazu: »Ich habe es kommen sehen, diese Katastrophe war nur eine Frage der Zeit.«
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, japst sie und steht plötzlich mit einem luxuriösen Seetang-Körperpeeling vor mir, das sie mir in die Hand drückt.
»Danke«, sage ich etwas verdattert, »aber ich habe heute gar nicht Geburtstag.«
»Nicht? Puh.« Vor Erleichterung sackt sie förmlich in sich zusammen, dann runzelt sie die Stirn. »Was denn dann?«
»Der Deckel«, sage ich und weise auf die Quality-StreetDose. »Flea mag zwar für einen Kater recht schlau sein, aber er ist nicht schlau genug, um einen luftdicht verschlossenen Deckel aufzumachen …«
Auf ihren Wangen erscheinen zwei hochrote hektische Flecken, weshalb ich schon glaube, dass sie jetzt endlich auspackt und alles gesteht, doch da werden wir von einem durchdringenden Brandgeruch abgelenkt. »Verdammt, meine Bohnen!«, kreischt sie und stürzt an den Herd. Dann stöhnt sie laut auf. »Dreck! Jetzt sind sie schwarz, dabei ist doch heute Rot dran!«
»Ich glaube, Schwarz gibt es im Regenbogen nicht«, entgegne ich mit zuckenden Mundwinkeln. »Das ist bestimmt ein Zeichen.«
»Ein Zeichen?«
»Dass du diese Modediäten in den Wind schießen sollst«, erkläre ich streng. »Die bringen sowieso nichts, und außerdem hast du das auch gar nicht nötig. Du sieht toll aus, so wie du bist.«
»Wolltest du nicht eigentlich zu einem Date?«, fragt sie spitz und ignoriert das Gesagte.
Und da ich weiß, dass sie ohnehin nicht auf mich hört, füge ich mich diesem Wink mit dem Zaunpfahl und schnappe mir meinen dicken Daunenmantel. »Bye«, sage ich, winke und drehe mich um. »Bis später.«
»Viel Spaß.« Sie winkt mir mit dem Kochlöffel hinterher, und dann zwinkert sie mir zu. »Ich glaube, der könnte der Mann fürs Leben sein.«
Unglaublich. Noch vor ein paar Tagen hat Fiona Seb mit sämtlichen Schimpfwörtern unter der Sonne bedacht und mir gesagt, ich solle vergessen, dass er überhaupt existiert. Dieser plötzliche Sinneswandel ist mir unbegreiflich. Aber andererseits ist das ja nicht das Einzige, was sich in den letzten Tagen gewandelt hat. Und es ist auch nicht das Letzte, denke ich, und das jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken.
»Meinst du nicht?«
Unvermittelt reißt sie mich aus meinen Gedanken. »Ja«, sage ich leise. »Der könnte der Mann fürs Leben sein.«
Und dann flitze ich mit gekreuzten Fingern aus der Wohnung. Denn diesmal will ich ihn nicht wieder
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