Der Wunschtraummann
versucht habe, hektisch alles wieder wegzutupfen. Also, auf diese Frage kenne ich die Antwort. Und weil ich mir ganz sicher bin, nehme ich mir Zeit und tue, als müsste ich erst kurz nachdenken.
Denk dran, Tess, nichts Rotes und nichts, was Flecken hinterlässt, nur für alle Fälle.
»Ähm … ich nehme einen Weißwein, bitte«, sage ich lächelnd.
»Einen bestimmten?«
»Ähm, nein … irgendeinen, ich bin da nicht so wählerisch«, meine ich und zucke beiläufig die Achseln. »Solange er nicht rot ist.«
»Rot?« Offensichtlich hat er nur mit einem Ohr zugehört und schaut mich nun verwundert an. »Hast du nicht weiß gesagt?«
»Oh … ähm … ja, habe ich«, stammele ich. »Ich Dummi, ich meinte natürlich irgendeinen weißen.«
Er lacht. »Okay, cool, kommt sofort«, sagt er und strahlt mich an.
»Prima!«, entgegne ich und strahle übers ganze Gesicht zurück. Ich schaue ihm hinterher, wie er zur Bar geht. Dann atme ich aus. Womöglich wird die Sache doch nicht ganz so ein Kinderspiel wie gedacht.
Aber viele meiner Bedenken lösen sich in Luft auf, als er mit den Getränken zurückkommt und sich wieder zu mir auf das Sofa setzt. Nur diesmal ein bisschen näher, und als sein Bein meinen Oberschenkel streift, durchläuft mich ein köstliches Prickeln.
»Wie ist der Wein?«, fragt er und bedenkt mich mit einem Lächeln, bei dem mein Herz einen kleinen Satz macht.
Ich nippe an meinem Glas. »Mmm, der ist köstlich.«
Und das ist er auch, gut gekühlt und köstlich.
Allerdings nicht unbedingt ideal für einen frostigen Januartag wie heute, geht mir jetzt auf, als ich das eiskalte Glas in den Händen halte. Mich fröstelt richtig davon. Um ganz ehrlich zu sein, wäre mir ein roter doch lieber gewesen. Schließlich gibt es doch nichts Schöneres, als mit einem Glas Rotwein vor dem Kamin zu sitzen, oder?
Aber das ist halb so wild. Es ist trotzdem wunderschön, denke ich, bemüht, nicht zu zittern, als der eiskalte Wein langsam in meinen Magen läuft.
Nachdem wir ein bisschen warm miteinander geworden sind, plaudern wir bald angeregt. Seb fragt interessiert nach mir, meiner Familie, was ich so mache. Über meinen Job rede ich nur flüchtig – ich weiß noch, dass Seb sich nie so richtig für meine Arbeit interessiert hat, was nur zu verständlich ist, wenn man bedenkt, dass er ein totaler Überflieger und mega-erfolgreich ist und ungefähr eine Million mal mehr verdient als ich. Stattdessen erzähle ich lieber von meinem Opa.
»Klingt wie ein echtes Original, den würde ich gerne mal kennenlernen«, meint er mit einem Lächeln, während wir bereits bei der zweiten Getränkerunde angekommen sind.
»Bestimmt würde er dich auch gerne kennenlernen.« Und dann habe ich unvermittelt das Bild ihrer letzten ersten Begegnung vor Augen und wie mein Opa sich plötzlich in Tony Soprano verwandelte. »Aber egal, genug von mir, wie steht’s mit dir?«, lenke ich rasch ab.
»Was möchtest du denn wissen?«, fragt er lachend.
»Alles«, rufe ich überschwänglich, obwohl ich ja eigentlich schon alles weiß.
»Okay …« Er holt tief Luft wie ein Fallschirmspringer vor dem Absprung. »Aufgewachsen bin ich in Chicago als jüngster von vier Brüdern.« Er verdreht die Augen. »Als Kind habe ich Gitarre spielen gelernt und wollte, wenn ich groß bin, immer der neue Van Halen werden, aber daraus ist leider nichts geworden.« Er zieht eine Grimasse. »Also habe ich mir nach dem College einen Anzug zugelegt, und seitdem arbeite ich für einen der größten Finanzdienstleister in New York, und vor zwei Jahren wurde ich dann in unser Büro hier in London versetzt.« Kurz unterbricht er sich und trinkt durstig einen großen Schluck Bier. »Hmm, was noch? Humorvoll, tierlieb, Hobbys: unter anderem hilflosen alten Damen über die Straße helfen.« Er grinst, und ich muss lachen. »Ach ja, und ich stehe auf Sport jeder Art und körperliche Betätigung … Ich trainiere viel, um fit und in Form zu bleiben, weißt du.« Er lacht bescheiden und klopft sich auf den imaginären Rettungsring.
»Ich weiß«, meine ich und muss daran denken, wie ich morgens bei Tagesanbruch von seinem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, damit er noch vor dem Fitnessstudio eine Runde laufen konnte.
»Wirklich?«
»Ähm … ich meine, das sieht man«, korrigiere ich mich rasch. »Du bist ziemlich knackig.«
Knackig? Habe ich wirklich gerade knackig gesagt? Ich spüre, wie meine Wangen ganz heiß werden.
»Das nehme ich mal als Kompliment«,
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