Der Wunschtraummann
nicht mal anderthalb Tagen ein Experte in Sachen Star Wars werden. Ich muss über meine Lieblingsszenen diskutieren können, geistreiche Bemerkungen einwerfen und Dialoge zitieren können.
Okay, keine Panik.
Es ist beinahe Mittag, und ich sitze an meinem Schreibtisch und google verzweifelt Notfall- DVD -Verleih. Nach Abschluss der Umbauarbeiten sind heute zum ersten Mal nach den Feiertagen alle wieder im Büro, und eigentlich sollte ich mich dringend darum kümmern, die E-Mails abzuarbeiten, die im Sekundentakt in meinen Posteingang flattern. Ganz zu schweigen von der rosaroten und gelben Tapete aus Klebezetteln, die meinen Monitor rahmt. Die hängen schon so lange da, dass sie langsam verstauben, wie ich jetzt mit Sorge bemerke, worauf ich sie unauffällig ein wenig mit dem Ärmel abwische.
Aber momentan gibt es Wichtigeres zu tun. Morgen Abend ist meine zweite Verabredung mit Seb, und Dutzender Telefonanrufe zum Trotz bin ich noch immer keinen Schritt weiter. Ich brauche einen Plan. Einen, der nicht vorsieht, mich von der Hammersmith Bridge zu stürzen.
»Hey, Kym, hast du schon mal Star Wars gesehen?«, rufe ich durch das Foyer, wo Kym-mit-Y, unsere Empfangsdame, wie ein grellbunter Papagei hinter ihrem Schreibtisch sitzt. Dass draußen tiefster Winter herrscht, scheint Kym nicht im Geringsten zu beeindrucken. Während alle anderen ihre käseweißen Gliedmaßen unter blickdichten Strümpfen und langärmeligen Zara-Strickjäckchen verstecken, sieht sie aus wie Ibiza im August, mit karottenoranger Sonnenstudiobräune, glitzerndem Lidschatten und kurzgeschnittenen blondierten Haaren, die toupiert und hochgestellt auf ihrem Kopf thronen wie ein ausgefallener Federschmuck.
Sie schaut von ihrem Bildschirm auf, wo sie gerade die neuesten Verpassten Chancen liest. Obwohl sie mit Wayne, einem unserer Fahrer, liiert ist, ist Kym besessen von dieser Webseite, auf der Leute Anzeigen aufgeben, um wildfremde Menschen wiederzufinden, die sie irgendwo gesehen haben, aber nicht den Mut hatten anzusprechen. »Weil ich eine heillose Romantikerin bin«, seufzt sie immer wehmütig, wenn man sie danach fragt.
Was sicher auch stimmt. Aber ich glaube, sie hat auch heillos die Nase voll von Wayne, der ihr nach acht gemeinsamen Jahren noch immer keinen Heiratsantrag gemacht hat, und hofft insgeheim, dass eines Tages jemand ihretwegen eine Anzeige aufgibt und sie endlich den Mut findet, Wayne zu verlassen.
»Ach, ist das die neue Reality-Show auf Channel Four?«, fragt sie eifrig. »Die mit den verfeindeten Promis, die in aller Öffentlichkeit ihre schmutzige Wäsche waschen und sich eine richtige Schlammschlacht liefern?«
Gut, das hilft mir wirklich nicht weiter.
»Promis?« , kläfft eine schrille Stimme, worauf wir beide herumfahren und zu unserem Schrecken sehen, wie eine nicht besonders große Frau mit verkniffenem Gesicht den Korridor entlang auf uns zumarschiert. Mir wird ganz flau. Es ist Wendy Montgomery aus dem Geschäftsvorstand. Auch bekannt als die Hexe , und das nicht nur wegen ihrer Vorliebe für Schwarz. Ihr Büro liegt ein Stockwerk höher, und es ist vollgestopft mit silbergerahmten Fotos ihrer Katzen und ihrer Kakteensammlung, die aufgereiht wie stachelige, missgestaltete Soldaten auf ihrer Fensterbank stehen.
Gerüchten zufolge hat sie sich für Sir Richards Posten beworben, aber ich hoffe, es ist nicht mehr als das, ein Gerücht nämlich. Genau wie das Gerücht, sie habe Gary aus der Buchhaltung bei der Weihnachtsfeier verführen wollen, indem sie ihn hinter dem Wasserspender in die Ecke gedrängt und ihm die Zunge in den Hals gesteckt hat. Angeblich hat er sich heute Morgen krankgemeldet, weshalb bisher niemand weiß, ob an der Geschichte was dran ist oder nicht.
Doch wenn man der brodelnden Gerüchteküche Glauben schenken will, was ich natürlich nicht tue , dann leidet der Ärmste unter post-traumatischem Stress. Und ganz ehrlich, wenn es stimmt, was man munkelt, wer könnte es ihm dann verdenken?
»Was ist das für ein Gerede von Promis?«, fragt Wendy vorwurfsvoll und stiert uns beide durchdringend an. »Kym, ich will doch sehr hoffen, dass das Rechnungen sind, in die Sie sich da so vertiefen.« Stirnrunzelnd wirft sie einen Blick auf den Monitor. »Ihre Mittagspause beginnt erst in fünf Minuten.«
Worauf die arme Kym fast aus der Bluse springt und hektisch auf dem Schreibtisch herumkramt, um dann schnell Verpasste Chancen wegzuklicken und Excel aufzurufen.
»Und Sie, Tess? Hält Sir Richard Sie
Weitere Kostenlose Bücher