Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
eingeworfen, also bekomme ich mit ein bisschen Glück - falsch: mit meinem Glück - vielleicht noch diese Woche eine Antwort.
Zuversicht durchströmt mich - dieselbe Zuversicht, die mich bewogen hat, meine Kamera aus dem Nachttisch zu holen, wo sie die letzten Monate gelegen hat, die Linse vom Staub zu befreien und sie mit nach Cornwall zu nehmen. Dieselbe Zuversicht, die mich heute beim Aufwachen mit Vorfreude auf die Fotos erfüllt hat, die ich vielleicht machen werde.
Wieder richte ich meine Aufmerksamkeit auf Gabe, der noch immer auf der Welle reitet, inzwischen jedoch kaum mehr zu erkennen ist. Ich zoome auf sein Gesicht, um den konzentrierten Ausdruck einzufangen. Sein Kiefer ist angespannt, und die See versprüht ihre salzige Gischt über ihm. Es gelingt mir, einen Blick auf seine Augen zu erhaschen, die halb unter den dichten Brauen verborgen sind. Er scheint direkt zu mir herzusehen, und dann -
Zack. Er fällt ins Wasser.
Erschrocken sehe ich auf und blicke aufs Meer hinaus. Ohne den vergrößernden Effekt der Linse sind die Surfer lediglich winzige Gestalten im Wasser. Ich lasse meinen Blick über die Wellen wandern, die im strahlenden Sonnenschein glitzern. Aber keine Spur von ihm.
»Gabe!«, schreie ich, stehe auf und winke mit hoch erhobenen Händen, damit er mich besser erkennen kann. Nicht dass ich mir Sorgen machen würde oder so, schließlich ist er ein hervorragender Schwimmer. Er hat sein ganzes Leben am Meer verbracht, hat er mir erzählt, und bewegt sich wie ein Fisch im Wasser. Aber die Strömung ist ziemlich stark hier, und wenn man nicht daran gewöhnt ist, kann man leicht von einem Strudel erfasst, unter Wasser gezogen werden und - meine Gedanken wirbeln wild umher.
»Gabe!«, rufe ich wieder, lauter diesmal. Scheiße, wenn ihm irgendetwas passiert ist, würde ich es mir nie verzeihen. Ich hätte ihm sagen müssen, dass er vorsichtig sein soll, hätte mehr Verantwortung übernehmen müssen … Ich stecke den Verschluss auf die Linse, ziehe mir die Kamera über den Kopf und halte sie in der Hand, während ich über die Grasbüschel den Hügel hinuntergehe.
Der Weg scheint sich ewig hinzuziehen, aber schließlich erreiche ich den Parkplatz am Fuß des Hügels und schaue erneut zum Strand hinüber. Immer noch keine Spur von Gabe.
Nun bekomme ich Angst. Etwas stimmt nicht. Ich ziehe meine Turnschuhe und Socken aus, lasse sie neben dem Motorrad zurück und springe über die Mauer. Meine bloßen Füße kommen auf dem feuchten, weichen Sand auf, und ich laufe in Richtung Meer. Atemlos lasse ich meinen Blick übers Wasser schweifen. Ich sehe jede Menge Surfer, aber keinen Gabe. Wo zum Teufel ist er?
Panik erfasst mich. Was, wenn er sich den Kopf gestoßen hat und bewusstlos im Wasser treibt oder sich schwer verletzt hat?
Ich muss etwas unternehmen - den Rettungsschwimmer alarmieren oder den Notruf wählen … Ein Schluchzer entfährt mir. Ich wünsche mir so sehr, dass er hier wäre.
»Buh!«
Ich bekomme fast einen Herzanfall vor Schreck, wirble herum und presse mir die Hände auf die Brust.
Gabe steht mit dem Brett in der Hand hinter mir und grinst.
Eine Woge der Erleichterung erfasst mich - die augenblicklich Wut Platz macht.
»Was zum Teufel soll das?«, schreie ich. »Du hast mich zu Tode geängstigt.«
»Hey, komm schon, es war nur ein Witz.«
»Ein Witz!«, kreische ich. »Ich dachte, du bist ertrunken!«
»Ich bin abgerutscht, und als ich wieder an die Oberfläche kam, war ich auf der anderen Seite der Bucht.«
»Aber ich habe dich gesucht und nach dir gerufen -« Ich unterbreche mich, weil ich so wütend bin, dass mir die Tränen in die Augen steigen.
»Weißt du eigentlich, wie süß du aussiehst, wenn du wütend bist?«
Ich bedenke ihn mit einem bitterbösen Blick. »Du bist so was von nicht witzig.«
»Natürlich bin ich witzig. Es ist mein Job, witzig zu sein.« Er lacht mit gespielter Empörung. »Ich bin Standup-Comedian, schon vergessen?«
Das ist der Moment, in dem ich wohl besser den Mund halten sollte … »Tja, das ist was anderes.«
Aber ich tue es nicht.
»Ich hasse Standup-Comedy.«
Kaum sind die Worte über meine Lippen gekommen, wünsche ich mir nichts mehr, als sie ungesagt zu machen.
Einen Augenblick lang herrscht Schweigen. »Du hasst Standup-Comedy?«, fragt Gabe und starrt mich verblüfft an. »Und du findest mich nicht witzig?«
Oh Scheiße! Ich überlege kurz, ob ich bluffen soll, doch mir ist klar, dass es nichts bringen würde, also
Weitere Kostenlose Bücher