Der Wunschzettel - Be Careful What You Wish For
»Eine Familie, die zusammen isst, sitzt auch zusammen.«
Gehorsam rücken alle ein Stück, so dass neben Rosemary eine Lücke entsteht. Unglücklich schaue ich auf den freien Platz. Rosemary ist der letzte Mensch, neben dem ich gern sitzen möchte, doch zum Glück nimmt Gabe als Erster auf der Bank Platz. Dankbar lächle ich ihm zu.
»Wir müssen endlich aufhören, uns auf diese Weise zu treffen«, erklärt er leichthin, worauf Rosemary wie ein Schulmädchen errötet und sich ihre hellrosa geschminkten Lippen mit der Serviette abtupft.
»Zwei Ploughmans mit Cheddar«, dröhnt eine Stimme. Hinter uns taucht eine rotgesichtige Kellnerin mit zwei großen Tellern in der Hand auf, die wir heranwinken. Sie stellt die Teller vor uns auf dem Tisch ab.
Nachdenklich starrt Gabe auf den Teller herunter. »Was ist das?«, fragt er und spießt eine eingelegte Zwiebel mit der Gabel auf.
»Probier es. Du wirst es mögen.«
Tapfer nimmt er einen Bissen. Schweigen breitet sich am Tisch aus, während alle auf seine Reaktion warten. Wir lauschen den Kaugeräuschen, ehe er sagt: »Iiiihh, und so was esst ihr freiwillig?«
Alle lachen. Sein Gesichtsausdruck ist göttlich. Ich lache so schallend, dass ich mir sogar mit der Serviette die Tränen abwischen muss, als ich plötzlich eine Stimme höre. »Heather?«
Ich bekomme den Schock meines Lebens.
»James?«
Das Lachen bleibt mir im Hals stecken. »Was um alles in der Welt machst du denn hier?«, japse ich, ehe ich eilig hinzufüge: »Ich dachte, du bist in Paris.«
»Ich habe einen früheren Rückflug bekommen.«
»Aber wie …?«
»Ich hatte die Adresse, also bin ich gleich hergefahren. Als du nicht dort warst, dachte ich mir, du bist bestimmt im Pub. Mittagessen am Sonntag und so …«
Wieder breitet sich Schweigen am Tisch aus, doch ich spüre die Blicke hin und her flitzen. Mit einem Mal wird mir bewusst, wie das Ganze wirken muss - Gabe, meine Familie und ich sitzen hier zusammen, lachen, und alles sieht so behaglich aus. Eigentlich sollte ich nicht hier am Tisch sitzen, sondern aufspringen und James um den Hals fallen. Ich sollte entzückt sein, dass er den weiten Weg auf sich genommen hat, um mich zu sehen. Und ich sollte ihn voller Begeisterung meiner Familie vorstellen.
Ich springe auf und werfe die Arme um ihn. »Leute, das ist James. Mein Freund«, füge ich hinzu. Beim Wort »Freund« bleiben meine Augen kurz an Gabe hängen, ehe ich verlegen den Blick abwende.
»Sehr erfreut«, murmeln die anderen am Tisch, aber keiner von ihnen begrüßt James mit demselben Enthusiasmus, mit dem sie am Abend zuvor Gabe in ihrer Runde aufgenommen haben. Selbst Rosemary, von der ich gedacht hatte, sie würde ihn mit Fragen bombardieren, ist so mit Gabe beschäftigt, dass sie James kaum beachtet.
»Willst du vielleicht etwas zu essen bestellen?«, frage ich als Versuch, Wiedergutmachung zu leisten, doch James schüttelt den Kopf.
»Nein, ich habe schon gegessen. Ich hole mir einfach an der Bar etwas zu trinken. Möchte noch jemand etwas?«
»Noch ein Glas Merlot«, erwidert Lionel gut gelaunt.
»Ich komme mit«, biete ich ihm an.
»Nein, schon gut, bleib ruhig sitzen und iss weiter«, wiegelt James ohne jeden Sarkasmus ab, dennoch trifft mich die Bemerkung.
»Wenn du sicher bist …«
»Absolut«, erwidert er, dreht sich um und geht steif beinig über den Rasen in den Pub.
»Ich kann nicht glauben, dass du mir nichts davon gesagt hast, dass du herkommst.« Ich halte mein Haar im Nacken zusammen, damit der Wind es nicht zerzausen kann, und wende mich James zu. Wir haben die anderen zurückgelassen und gehen Hand in Hand den felsigen Küstenstreifen über dem Strand entlang. Derselbe Stand, an dem ich vor wenigen Stunden noch mit Gabe gestanden habe.
»Ich wollte dich überraschen.«
Das ist ihm allerdings gelungen.
»Ich hatte ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil ich in letzter Minute absagen musste.«
»Schon gut. Mach dir keine Gedanken. Gabe hat mich ja mitgenommen.«
»Das habe ich gemerkt«, erwidert er tonlos, und seine Miene lässt keinen Zweifel daran, wie wenig begeistert er davon ist, dass ich bei meinem Mitbewohner Sozia gespielt habe.
»Na ja, ich dachte eben, als Kalifornier surft er bestimmt gern, und da er noch nie in Cornwall war und …« Ich unterbreche mich, als mir auffällt, dass ich mich verteidige. »Obwohl ich auf dem Motorrad etwas Angst hatte.«
»Kann ich mir vorstellen.« Seine Züge werden weich.
»Aber mach dir keine
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