Der Wunschzettelzauber
Vergangenheit entfernt hatte, dachte Chloe mit einem amüsierten Schnauben, war, dass sie vor Kurzem ernsthaft erwogen hatte, ein aufblasbares Weihnachtsmann-Kostüm aus dem geliebten Lake-District - Lokalblättchen ihrer Mutter zu bestellen. Sie stellte sich vor, wie lustig es wäre, es an Weihnachten zu tragen, und wurde sich bewusst, wie wenig es ihr ausmachte, in lächerlichen Verkleidungen zu erscheinen. SchlieÃlich hatte sie sich dann doch dagegen entschieden, eine aufblasbare Weihnachtsfrau zu werden, und zwar nicht wegen der Verkleidung, die sie in einen menschlichen Zeppelin verwandelte, sondern weil Nicolas sie als Weihnachtsmann erkennen würde und ihm das seine Illusion und den Spaà am Weihnachtswunder verderben würde.
Chloe wollte nichts verderben. Nicolas war von seiner Geburt an, ja sogar schon vorher, ihr groÃer Rettungsanker gewesen. Sie liebte es, Teil einer einfachen, heiteren Kinderwelt zu sein. Sie liebte die klaren Farben, die Sanftheit, die trostspendende Ordnung.
Aber für ein kleines Kind ist ein Jahr eine lange Zeit , dachte Chloe, während sie sich neben dem Vierjährigen am Tisch niederlieÃ. Nicolas würde sicher nicht mehr lange ein süÃer kleiner Kerl bleiben, der keinerlei Ansprüche stellte. Diese Art kindlicher Unschuld verging viel zu schnell. Natürlich tat sie ihr Bestes, um ihn vor den vielen Werbesendungen im Fernsehprogramm abzuschirmen, aber sie wusste auch, dass in Nicolasâ Kindergarten schon seit Wochen fortwährend über Weihnachtsgeschenke gesprochen wurde. Und Tallulah trug in ihrer pinkfarbenen Umhängetasche ständig einen bereits zerfledderten Spielsachenkatalog mit sich herum und zeigte jedem die vielen Seiten, die sie als zarten Hinweis für ihre Eltern markiert hatte. Also machte Chloe sich dieses Mal auf eine viel längere Wunschliste von Nicolas gefasst, die sie dann vielleicht ein wenig einschränken musste.
»Es kann losgehen«, erklärte sie und schob sich das Haar aus dem Gesicht. Sie wählte einen angemessen weihnachtlich grellgrünen Filzstift und begann in ihrer schönsten rundlichen Handschrift. »Also gut: Lieber Weihnachtsmann ⦠«
» Ich war immer sehr brav «, diktierte Nicolas.
Chloe hob eine Augenbraue. »Na ja, sagen wir lieber: Du warst ziemlich brav, hm?«, entgegnete sie mit leisem Spott.
» NEIN !«, schrie Nicolas mit alarmiert in die Höhe schnellender Stimme. »Du musst âºsehr brav â¹ schreiben, sonst kommt er nicht!«
»Na, also gut«, gab sie nach und packte ihn spielerisch im Nacken. »Aber es dauert noch eine Weile bis Weihnachten, und du musst dir bis dahin weiter Mühe geben, ja?«
»Ja, gut«, seufzte Nicolas, lieà dann die Schultern dramatisch sinken und schob seine Unterlippe weit vor.
»Das machst du fantastisch «, meinte Chloe bewundernd. »Du könntest mal ein toller Schauspieler werden. Der neue Ralph FienÂnes. Ich würde mir sofort eine Vorstellung mit dir im Nationaltheater ansehen. Der groÃe Nicolas Regard gibt Hamlet â¦Â« Chloe seufzte voll mütterlichem Stolz, kicherte dann, als sie Nicolasâ verständnislosem Blick begegnete, und nahm den Stift wieder zur Hand. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Wir müssen ihm sagen, wo ich dann bin, Mummy«, meinte Nicolas ernst. »Weil wir doch an Weihnachten nicht zu Hause sind.«
»Nein, da hast du recht.« In diesem Jahr würden sie Weihnachten bei Antoines Eltern im Burgund verbringen.
» Lieber Weihnachtsmann «, diktierte Nicolas, » an Weihnachten sind wir bei grand-père und grand-mère in Frankreich, das ist im Burgund. Du musst meine Geschenke also nach Petit Mulot bringen statt nach London .«
»Okay«, sagte Chloe, »Hab ich.«
» In diesem Jahr will ich â¦Â«
»Nicht will ich , Nicolas«, unterbrach Chloe ihn, wahrscheinlich zum ungefähr hunderttausendsten Mal. Du meine Güte. Ein Kind zu erziehen bedeutete vor allem, sich zu wiederholen. Immer wieder. Trotzdem: Irgendwann würde es sich auszahlen. In etwa sechs bis sieben Jahren. Oder vielleicht auch erst in zehn. Chloe zog eine Grimasse bei dem Gedanken. »Na? Wie bittest du nett und freundlich um etwas?«
»Bitte.«
»Genau. Also los. Ich wünsche mir bitte â¦Â«
» Ich wünsche mir bitte einen Roboter â¦Â«
Ein Roboter ist eine grandiose Idee, dachte Chloe und
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