Der Wunschzettelzauber
habe mehrere Jahre dort verbracht.«
»Und Sie wollten nicht dort bleiben?«, fragte Chloe, die an ihren eigenen Traum dachte, mit Nicolas im Burgund zu leben. Sanft schwenkte sie ihren Wein in dem groÃen Glas, bewunderte seine rubinrote Farbe, die in dem warmen Kerzenlicht leuchtete.
»Doch, schon. Sogar sehr gerne«, erwiderte Guillaume und beobachtete sie interessiert, wie sie die Nase ins Glas steckte, kurz und sachkundig schnüffelte und dann ein Schlückchen nahm. »Aber dann war doch mein Wunsch, nach Hause zu kommen und meinen eigenen Wein auf meinem eigenen Grund und Boden zu machen, stärker. Also bin ich wieder nach Frankreich gekommen.«
»Sie sind Winzer ?«
»Jawohl, Madame. Mein Vater beschloss, sich vom Geschäft zurückzuziehen, und ich kam vor ungefähr einem Jahr zurück, um das Gut zu übernehmen. Es liegt in der Nähe von Montbard. Kennen Sie es? Sie sollten einmal vorbeischauen. Ich würde Ihnen eine exklusive dégustation anbieten.«
»Eine Weinprobe? Ach ja, bitte! Das wäre herrlich.«
»Ja, ich würde mich über Ihren Besuch freuen«, meinte Guillaume. »Es gefällt mir, wenn sich eine Frau gegen Champagner und für einen Aloxe-Corton aus der Gegend hier entscheidet. Natürlich habe ich nichts gegen Champagner, aber ich gebe doch meinem eigenen terroir den Vorzug.«
Chloe grinste ihn an. Als sie dann auf das perfekt angerichtete carré de veau aux girolles blickte, das vor sie hingestellt worden war, klang ein Name, den Guillaume genannt hatte, in ihr nach: Montbard.
»Ich bin tatsächlich schon einmal in Montbard gewesen«, sagte sie, während sie einen perfekt geformten, safranfarbenen Pilz mit der Gabel aufspieÃte. »Nun ja, nicht wirklich. Ich habe von dem Ort nichts gesehen. Das ist schon Jahre her. Ich habe eigentlich nur eine Weile im Bahnhof gewartet. Damals war ich â¦Â« Ihre Stimme versiegte, sie starrte wie blind auf das Gesteck weiÃer Orchideen, das mitten auf dem Tisch stand. Gestrandet in Montbard. Warteraum geschlossen. Ein eisig kalter Wind auf dem Bahnsteig. Sie hatte Nicolas in dem Bahnhofscafé stillen wollen, und der Kellner dort hatte ein Mordstheater deswegen gemacht. Und dann, der fürsorgliche Fremde, der ihr zur Seite gestanden, mit ihr auf den nächsten Zug gewartet, Nicolas gehalten hatte, während sie schlief ⦠Sie legte die Gabel ab und blickte Guillaume an.
»Das waren Sie!«, rief sie aus und legte ihm eine Hand auf den Arm. »Ach du meine Güte, das ist ja unglaublich. Sie sind der âºunglaublich nette Kerl, dessen Name ich nie erfahren werde« . Und jetzt â¦Â«, setzte sie hinzu und deutete auf den herzförmigen Keks, der an Guillaumes Glas lehnte, »⦠jetzt weià ich endlich, wer das ist.«
24
Trüffeln schnüffeln
»Ich war damals gerade erst eine Woche oder so aus Neuseeland zurück«, sagte Guillaume langsam und starrte die Orchideen an. »Als ich das Bahnhofscafé betrat, sah ich Sie nur von hinten und erkannte Sie nicht gleich. Ich hielt Sie für eine weitere verirrte Engländerin, die ihre Landsleute in deren prächtig restauriertem Bauernhaus besuchen wollte. Wissen Sie, unser Burgund ist schon ziemlich in der Hand der Engländer â ich nehme an, sie finden in der Normandie und im Périgord kein freies Plätzchen mehr.«
Chloe lächelte.
» Ah, merci «, sagte Guillaume, als man kleine Stückchen von der Hochzeitstorte vor sie hinstellte. »Das ist croque-en-bouche «, erklärte er und erwiderte ihr Lächeln. »Haben Sie die Torte vorhin gesehen? Dieses hohe Gebilde aus kleinen, gefüllten Windbeutelchen, mit Zuckerschleifchen und Blüten? Sehr französisch, sehr traditionell.«
»Wie ein Eiffelturm, den man essen kann«, stimmte Chloe zu. Sie betrachtete das reizende Arrangement von kleinen Gebäckteilchen auf ihrem Teller, die mit bernsteinfarbenem Karamellguss überzogen waren. »Das habe ich zum letzten Mal bei meiner eigenen Hochzeit in Paris bekommen. Ich bin ein groÃer Frankreich-Fan«, setzte sie hinzu und blickte Guillaume an, »und ich habe mir all diese traditionellen französischen Köstlichkeiten gewünscht. Unser croque-en-bouche war fantastisch. Nur meine Mutter war ein bisschen enttäuscht, weil sie eine gute Bekannte bitten wollte, eine riesige, dreistöckige englische Hochzeitstorte mit dicker
Weitere Kostenlose Bücher