Der Wunschzettelzauber
Glasur für uns zu machen.«
Als Guillaume nicht antwortete, dachte Chloe an den französische Ausdruck »Un ange passe «  â »ein Engel fliegt vorbei« â, mit dem man ein Stocken im Gespräch bezeichnete, wenn ein heikles Thema angesprochen wurde.
»Nun ja, sie hat noch eine Chance«, fuhr Chloe fort, als sie das Gefühl hatte, dass der Engel wieder fort war. »Mein Bruder James ist noch unverheiratet, und wenn es einmal so weit ist, glaube ich, wird er sich für eine sehr englische Hochzeitstorte entscheiden. Und für Würstchen mit Kartoffelbrei oder so etwas. Das isst er für sein Leben gern.« Sie blickte Guillaume mit gerunzelter Stirn an. »Aber Sie konnten mich doch gar nicht erkennen, oder? Ich meine, wir sind uns doch vorher nie begegnet.«
»Doch, einmal schon«, entgegnete Guillaume und errötete ein wenig, was ihm gut stand. »Aber das war bei einem solch traurigen Anlass, dass Sie sicher keine Notiz davon genommen haben, wer damals anwesend war.«
Antoines Beerdigung. Also war er an jenem entsetzlichen Tag gekommen. Er war zu Antoines Beerdigung herübergeflogen, wenn schon nicht zu seiner Hochzeit. Sie erinnerte sich an sehr wenig. Sie wusste nicht mehr, wie sie zum Friedhof gekommen war. Ihre Mum musste ihr beim Ankleiden geholfen haben. Sie wusste â denn Jeannette hatte es ihr später erzählt â, dass sie nicht bis zu dem Moment geblieben war, als der Sarg in die Erde gelassen wurde, sondern nach Hause gebracht worden war, weil sie so krank aussah. Sie erinnerte sich noch, dass sie in einem abgedunkelten Raum gelegen hatte, leidend wie ein sterbender Hund.
»Sie haben recht«, sagte sie jetzt und sah Guillaume an. »Ich war wirklich ⦠Es war so â¦Â«
»Ich verstehe. Sie haben sich bewundernswert gehalten, das fanden alle.«
»Na ja, ich war in einem Trancezustand. Und als Sie mir in Montbard begegneten, war ich noch immer nicht ganz zu mir gekommen.«
»Was mir damals imponiert hat, war Ihre ungeheure Entschlossenheit, Ihr Baby zu stillen.«
Chloe musste lachen. »Ja, ich war richtig besessen in dieser Hinsicht, vielleicht weil â¦Â« Vielleicht weil es etwas war, was ihr Nicolas noch näher brachte. Im Nachhinein betrachtet hatte sie sich wahrscheinlich ein wenig zu lange daran geklammert. Jetzt aber wollte sie mehr über die Episode in Montbard hören. Leicht den Kopf schüttelnd lächelte sie Guillaume erwartungsvoll an.
»Und dann«, fuhr er fort, »ist mir natürlich Ihr Haar aufgefallen. Und dann sah ich Ihr Gesicht.«
Er schwieg und sah sie an. Jetzt war Chloe an der Reihe zu erröten. Sie wandte sich ihrem Kuchen zu. »Mmmh«, machte sie, nachdem sie die Puddingfüllung gekostet hatte. »Ist das Grand-Marnier in der crème patissière ?«
» Tout à fait exact «, antwortete er lobend. »Sie haben einen fein entwickelten Gaumen.«
»Für eine Anglaise «, vervollständigte Chloe spöttisch.
» Mais non «, erwiderte Guillaume ernsthaft. »Das habe ich nicht gemeint. Die Engländer haben zum Beispiel Sinn für guten Wein. Das weià jeder.«
»Danke! Das ist mal eine nette Abwechslung zu den ewigen Witzen über Fisch und Chips und gekochte Puddings und warmes Bier.«
»Das habe ich alles noch nie probiert«, erklärte Guillaume vorsichtig.
»Das sollten Sie aber. Das kann sehr gut sein. Oh, vielen Dank«, unterbrach sie sich, als Guillaume sich ritterlich bückte, um ihren Schal aufzuheben, der ihr von den Schultern gerutscht und auf den Steinboden gefallen war.
»Wissen Sie«, meinte Guillaume und reichte ihr den Schal, »die Leute machen sich die seltsamsten Vorstellungen, zum Beispiel über das Burgund. Es heiÃt, wir Bourguignons seien Eigenbrötler und würden unsere Gefühle nicht zeigen. Vielleicht ist da sogar etwas dran. Aber über eins bin ich mir sicher: Wir haben ein Talent zum Glücklichsein. Wie ein tief verwurzelter Instinkt â so wie ein Hund die Fährte eines Ebers aufnimmt oder Trüffeln erschnüffeln kann.«
Er begegnete Chloes Blick, und sie lachten. Chloe schnaubte dabei, was sie wieder zum Lachen brachte. Dann stöhnte sie: »Ach herrje. Und warum haben Sie mir damals nicht gesagt, wer Sie sind?«
»Ich weià nicht. Sie waren ein bisschen â¦Â«
»Fertig mit der Welt?«
»Tja, Sie sahen auf
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