Der Zauber deiner Lippen
herangemacht? Oder es zumindest versucht? War das nach Mels Autounfall gewesen? Wenn ja, hätte er wirklich allen Grund, sie zu verachten.
„Du erinnerst dich“, stellte er ruhig fest.
„Nicht genau.“
„Nicht genau? Was soll das heißen? Kannst du dich wirklich nicht erinnern, oder willst du nur nicht?“ Sein Ton war wieder schärfer geworden.
„Ich weiß wieder, dass du Mels bester Freund warst. Deshalb bist du auch so gut über unser Leben informiert. Bis hin zu dem exakten Termin der In-vitro-Befruchtung. Aber mehr fällt mir nicht ein.“ Sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als ihn zu fragen, ob etwas zwischen ihnen gewesen war. Was, wenn er ihre Befürchtungen bestätigte? „Aber auch alles andere wird zurückkommen. Vielleicht auf einmal, vielleicht so ganz allmählich. Kein Grund, weiter hierzubleiben. Ich möchte entlassen werden.“
Er sah sie an, als sei sie nicht recht bei Trost. „Es wird Zeit, dass du wieder ins Bett gehst. Du weißt nicht, was du sagst.“
„Hören Sie auf, mich zu bevormunden, Dr. Valderrama. Ich bin selbst Ärztin, wenn Sie sich erinnern.“
„Wenn du dich erinnerst, meinst du wohl.“
„Das, was ich momentan erinnere, genügt. Ich kann mich auch außerhalb des Krankenhauses erholen.“
„Nur unter sorgfältiger ärztlicher Aufsicht.“
„Das kann ich selbst.“
„Dann erinnerst du dich also nicht daran, dass Ärzte erwiesenermaßen die schlimmsten Patienten sind?“
„Das hat nichts mit meinem Gedächtnisverlust zu tun. Denn ich bin absolut nicht dieser Meinung. Ich kann sehr gut für mich selbst sorgen.“
„Das kannst du eben nicht. Aber wenn du unbedingt willst, werde ich dich entlassen. Allerdings nur, wenn du mit mir nach Hause kommst, damit du unter meiner Aufsicht bleibst.“
Sie sollte mit ihm in einem Haus wohnen? Oh ja … Sofort stürzten Bilder von intimen Situationen auf sie ein … wie sie in seinen Armen lag …
Nein, das ging auf keinen Fall. Im Gegenteil, sie musste weg von ihm, so schnell wie möglich. „Rodrigo, du übertreibst. Sicher, ich hatte einen schlimmen Unfall, aber ich habe Glück im Unglück gehabt. Ohne dich und deine fantastische neue Methode hätte ich sterben müssen. Aber du hast mich gerettet, und jetzt geht es mir schon wieder sehr gut.“
„Von sehr gut kann so wenig die Rede sein wie davon, dass Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen.“
Sie seufzte leise. Wie konnte sie ihn nur überzeugen? „Jetzt übertreibst du aber maßlos. Mein Gedächtnis hat noch ein paar Lücken, das ist alles.“
„Ein paar Lücken? Wollen wir mal eine Liste darüber aufstellen, was du erinnerst, wenn auch nur ansatzweise? Dann wird dir klar werden, wie wenig das ist.“
„Das kann ja sein. Aber in letzter Zeit ist doch vieles schon wieder zurückgekommen, da werden auch bald die letzten Lücken gefüllt sein.“
„Kann sein, kann auch nicht sein. Aber das ist nicht dein einziges Problem. Du hattest eine schwere Gehirnerschütterung mit Ödembildung und subduralem Hämatom. Die Operation hat zehn Stunden gedauert, und die Hälfte der Zeit haben wir versucht, deinen Arm wieder zusammenzuflicken, was ausgesprochen kompliziert war. Danach hast du drei Tage im Koma gelegen und bist mit einem totalen Gedächtnisverlust wieder aufgewacht. Nach wie vor ist dein neurologischer Zustand kritisch, den Arm kannst du noch nicht gebrauchen, du bist übersät mit Blutergüssen und Quetschungen und außerdem schwanger. Bis du wieder fit bist, wird noch viel Zeit vergehen. Ich bin sowieso überrascht, wie gut du schon wieder reden kannst. Auch darüber, dass du bereits aufstehst und nicht nur im Bett liegst und nach Schmerzmitteln rufst.“
„Danke für den ausführlichen Krankenbericht, aber es sieht so aus, als sei ich sehr viel besser dran, als du glaubst. Ich bin ganz klar und kann genauso lange reden wie du. Und die Schmerzen sind längst nicht mehr so schlimm wie vorher.“
„Weil du mit Schmerzmitteln vollgepumpt bist.“
„Stimmt nicht. Ich habe den Tropf abgestellt.“
„Du hast was? “ Er warf einen schnellen Blick auf die Infusionslösung. „Wann?“
„Gleich nachdem du nach deinem letzten Besuch den Raum verlassen hast.“
„Das heißt, du bist im Augenblick ohne Schmerzmittel?“
„Ja. Ich brauche keine. Die Schmerzen in meinem Arm kann ich aushalten.“
Verwundert schüttelte er den Kopf. „Dennoch interessiert mich, was du unter ganz klar verstehst. Warum willst du Schmerzen aushalten, wenn es
Weitere Kostenlose Bücher