Der Zauber der Casati
Gesellschaft seiner Hunde und das Grün des Landes vor. So kamen beide auf ihre Kosten. Ich kann mich nicht dazu durchringen, Camillo als gehörnten Ehemann anzusehen. Dafür war er zu intelligent und zu pragmatisch. Seine Frau und er schlugen früh getrennte Wege ein. Vielleicht wäre es ihm anders lieber gewesen? Wie auch immer, er fügte sich würdig, reiste immer öfter aus Italien fort, um mit seinen Freunden, den Lords, im roten Jagdrock durch die Heidelandschaften Englands oder Cornwalls zu streifen.
In seinen Memoiren schildert D’Annunzio eine kurze Begegnung mit Camillo.
Luisa und Gabriele sitzen im Hotel Excelsior beim Frühstück. Einer der Morgen, an denen der Körper noch schmerzt von den heftigen Liebesbezeugungen der Nacht. Stille des anbrechenden Tages, Klirren der Porzellantasse auf dem Tellerchen. Zwischen zwei Schlucken Tee fragt Luisa sich, ob wohl noch genug Zeit für ein letztes Mal bleibt. D’Annunzio steht kurz vor der Abreise nach St. Moritz. Er hat ihr eine Bürste fürs Bad geschenkt, eine jener langen Holzbürsten mit seidenweichen Borsten. Entzückt über seinen Fund, hat er ihr fröhlich erklärt, so könne er ihr auch in Abwesenheit den Rücken kraulen. Luisa hat die Bürste und das Krepppapier, in das sie gehüllt war, auf das Tischchen beim Kamin gelegt. Sie begehrt ihn, zusammen mit den Erinnerungen an den Vortag lässt die Lust Schmetterlinge unter ihrer Haut flattern. Ein Diener tritt herein und kündigt Marchese Casati an. Das Feuer fällt in sich zusammen. An ihrer Tasse vorbei beobachtet sie, wie ihrem Liebhaber einiges von seinem Hochmut verlorengeht. «Ich lasse bitten!» Camillo tritt näher, freundlich, die Hände im Rücken verschränkt, begrüßt Gabriele ohne ein Anzeichen von Verwunderung und küsst seine Frau zärtlich auf die Stirn. Sie lädt ihn ein, sich dazuzusetzen, etwas mit ihnen zu trinken. «Einen Kaffee? – Nein, meine Liebe, ich komme gerade von Tisch.» Lächelnd bleibt er beim Kamin stehen. Der Ehemann genießt immer die Überlegenheit desjenigen, der im Recht ist. Geliebte mögen sich schmeicheln, intensiver begehrt zu werden, doch vergessen sie, dass sie in zweiter Linie stehen und es meist weniger lang andauert. D’Annunzio, der nichts mehr fürchtet als peinlich berührte Stille, versteigt sich in eine maßlose Schmährede gegen die Schweizer Alpen. Während er sich in der Schilderung eines Schneesturms ergeht, fällt Camillos Blick auf die Bürste, das Geschenk des Liebenden. Sacht nimmt er sie zur Hand, streicht mit dem Finger über den polierten Stiel, wendet sie hin und her und legt sie dann zurück, als ob nichts wäre. Gabriele errötet zutiefst, bringt seine Geschichte zu Ende, so rasch er kann, küsst seiner Geliebten hastig die Hand, verbeugt sich vor ihrem Gatten und verabschiedet sich schleunigst von dem Ehepaar. Ungerührt an Ort und Stelle stehend, begegnet Camillo seiner Verwirrung mit einem Neigen des Kopfes von gewählter Langsamkeit.
D ’Annunzio sagte, Luisa habe das Herz eines Mannes. Darüber müsste ich nachdenken, denn ich bin oft selbst als Mann bezeichnet oder besser wie einer behandelt worden, und zwar von Männern, denen die Ironie dieser Kränkung entging. Vielleicht fand Gabriele das, weil sie nicht verlangte, dass er ihr treu war. Ich denke sogar, dass ihr das völlig schnurz war.
Luisa hielt sich überhaupt nicht mehr im allzu einsamen Cinisello Balsamo auf. Auch in ihre eigene Mailänder Villa, diese alte Bude, wollte sie keinen Fuß mehr setzen. Ihr Charakter machte sich Tag um Tag deutlicher geltend, und sie ertrug es nicht mehr, wenn sich jemand ihren Wünschen entgegenstellte. Als man Camillo zum Präsidenten des Jockey-Clubs von Rom ernannte, erschien ihnen ihre gewohnte riesige Suite im Excelsior als zu klein und zu unpersönlich; also beschlossen sie, im neuesten angesagten Viertel einen Palazzo bauen zu lassen, in der Via Piemonte 51. Mittlerweile fühlt Luisa sich umso wichtiger, je mehr sie ausgibt. Und mit diesem Haus öffnet die Marchesa die Büchse der Pandora, die des Größenwahns.
Noch heute steht der ockerfarbene Palazzo, umgeben von schönen Gebäuden desselben Kalibers. Er wirkt, als wäre ein venezianischer Palast mitten in die Siebenhügelstadt verpflanzt worden. Die doppelte Freitreppe führt direkt auf die Straße, als erwarte man, dass der Bürgersteig aufklafft, eine Gondel herangleitet und ihre Passagiere auf den weißmarmornen Stufen absetzt. Die hohen maurischen Spitzbogenfenster
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