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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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fror ein. Wenn ich heute dran denke, zieht sich mir das Herz zusammen, ich nehme es mir immer noch übel.
    Am ersten Drehtag war nichts fertig. Ich war in weißem Kleid und weißen Stiefeln im Courrèges-Pop-Stil gekommen, aber Henry meinte, ich bräuchte noch Accessoires, und schickte mich zu zwei Adressen am entgegengesetzten Ende der Stadt. Freudig brach ich zu meiner Federboa-Mission in die Kälte auf. Der erste Laden verkaufte horrend teure Klamotten, aber keine Federboas, nichts als mottenzerfressene Nerz- und Hermelinstolas. Ich begriff nicht, warum er mich dorthin geschickt hatte. Lange suchte ich auf dem Weg zum zweiten Laden einen Burger King. Ich liebe Burger Kings, schon zum Frühstück könnte ich einen Whopper essen. Dann gelangte ich in einen riesigen Kurzwarenladen mitten in Chinatown, wo es alles en gros gab, Knöpfe, Bänder, Reißverschlüsse – und alle Federboas der Welt. Ich wusste nicht, welche kaufen, und rief Henry an, er sollte entscheiden. Er kam mit dem Taxi und wählte eine zum Fell des Hundes, mit dem ich auftreten sollte, passende Boa aus. Dann fuhr er wieder weg. Von dieser Reise quer durch die Stadt im eiskalten Wind bleibt mir eine verschwommene Empfindung von Freiheit. Eine Frau, allein in der fremden Stadt.

A uf Henrys Order ließ ich mich von einer Maskenbildnerin schminken. Als ich bei ihr herauskam, sah ich aus wie ein Clown. Ich hätte gedacht, sie würde mich in eine Schönheitskönigin verwandeln, und jetzt war ich eine Cruella de Vil, die es mit dem Eyeliner übertrieben hat. Zu meiner großen Erleichterung missfiel Henry das Ergebnis, er sagte, an den folgenden Tagen solle ich mich selbst schminken.
    Esther fand es ganz großartig, dass ich in New York einen Film drehte. Meine Enttäuschung über das amateurhafte Studio und das nicht vorhandene Budget hatte ich ihr verschwiegen. Damals dachte ich sowieso noch, es handele sich ja nur um einen Anfang, mir war noch nicht klar, dass diese Rolle die einzige meiner gesamten Karriere beim Film bleiben würde.
    Über den Film selbst braucht man kein Wort zu verlieren.

C ristina, ihre Tochter, hatten Camillo und Luisa in ein katholisches Internat nach Frankreich geschickt. Nicht einmal während der Schulferien mochten sich die Eltern um sie kümmern. Sie blieb mit ihrem deutschen Kindermädchen in der Villa in Cinisello Balsamo, manchmal nahm ihre Tante Francesca sie mit nach Rom. Die beiden Schwestern waren sich nach ihren jeweiligen Hochzeiten nähergekommen, hatten sich dann aber nach und nach voneinander entfremdet. Nachdem Francesca sich eine Hirnhautentzündung zugezogen hatte, die sie teilweise entstellte, lud Luisa sie nicht mehr zu ihren Empfängen ein. Rächte sie sich so für ihre Teenagerkomplexe gegenüber der von allen bevorzugten hübscheren Schwester? Die Casati konnte grausam sein, und ihre Schwester langweilte sie. Diese nette dumme Kuh, die sich damit zufriedengab, ordentlich ihre Rolle zu spielen und ein ruhiges Familienleben zu führen, ödete die Jüngere an.
    Häufig verließ die Marchesa Venedig und mietete sich für einige Zeit in Paris im Ritz ein. Hier, in der Stadt der Exzentrizitäten, wo Kurtisanen und Prinzessinnen miteinander wetteiferten, amüsierte sie sich enorm. Luisa wusste, verglichen mit den Königinnen der Ville des lumières war sie nicht hübsch, aber dank ihrer Theatralik wirkte sie stärker als jedes Puppengesicht oder kunstvoll enthüllte Füßchen.
    Eines Abends verschaffte sie sich einen großen Auftritt in der Oper. Sie trug eine durch Lady Macbeth inspirierte Robe – nach John Singer Sargents Gemälde –, ein langes, welkgrünes Gewand, goldbestickt und blutbefleckt. Ihr Fahrer hatte für die Gelegenheit ein Huhn zur Ader lassen müssen, und sie hatte sich lachend besudelt. Vor allem aber hatte sie sich einen Halsschmuck besorgt, der sie alle zum Erstarren bringen würde.
    Die große Treppe war verlassen, man begab sich bereits in den Saal und wartete unter dem funkelnden Kronleuchter auf den Beginn der Vorstellung. Während sie die Stufen hinanschritt, hörte sie schon die vertrauten Töne des stimmenden Orchesters, kratzende Geigen, Trompetentöne und die verführerische Tonleiter einer Flöte über dem Lärm der Menge, die sich geräuschvoll auf den Klappsitzen niederließ. Die traumhaften Mädchen des Zwielichts beugen ihre Nacken und neigen sich über die Balkonbrüstungen. Ihre hellen Schultern streifen erschauernd den roten Samt, die goldgerahmten Spiegel vervielfachen

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