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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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Mann und glänzender Hellenist, rückte sein Monokel zurecht und betrachtete den Gegenstand des Anstoßes. Nelly Melba, die große Schauspielerin, auf deren Namen ein Pfirsich getauft worden war, begnügte sich damit, entzückt den verwirrten Ausdruck zu verfolgen, der sich auf dem Gesicht der Duchesse de Gramont abzeichnete. Der uneheliche Sohn des Fürsten de la Moscowa, der derzeit in der Gesellschaft groß herauskommen wollte, versammelte seine ganzen Kräfte auf der Suche nach einem Bonmot, das anderntags in den Pariser Salons von Mund zu Mund gehen würde. Man konnte sich so schnell einen Namen machen … Gerade hatten sie Montesquious jüngste Spitze kommentiert, die er einem seiner Freunde serviert hatte, als der ihn bat, ihm Zugang zu einem «exklusiven» Salon zu verschaffen: «So etwas werden Sie nie kennenlernen, sobald Sie dort auftauchen, ist er nicht mehr exklusiv …»
    Die beiden Diener traten vor, umrundeten die Comtesse Vera de Talleyrand, die ihre schönen Augenbrauen hochzog, und setzten ihre reglose Herrin in ein mit granatrotem Samt bezogenes niedriges Lehnsesselchen. Die Puppe der Marchesa Casati schien sie alle miteinander kritisch zu mustern. Ein Mann räusperte sich, eine Dame wedelte hektisch mit dem Fächer, da schlug Arthur Meyer zur großen Erleichterung aller den richtigen Ton an. «Also wirklich! Wie amüsant!» Der Pressezar hatte als Sekretär von Blanche d’Antigny begonnen, die dem Gerücht nach täglich ein Champagnerbad nahm. Es gab nichts, was er nicht schon gesehen hätte, und er wusste, Lachen ist die beste Art, mit Peinlichkeiten umzugehen. Seine Verblüffung zu erkennen geben, das hieße ja sich zu entblößen, und niemand wollte als Spielverderber dastehen. Also stattete jeder der unkalkulierbaren, unbezahlbaren Marchesa sein Kompliment ab. Als Edgar hinter den beiden Trägern die Tür schloss, spürte man geradezu greifbar, wie lächerlich diese geheuchelte Leichtigkeit war. Wieder einmal hatte Luisa sie alle zum Narren gehalten.

A m allerliebsten frühstückte Luisa im Bett. Tief in die Kissen gekuschelt, rief sie «Herein!», als das Zimmermädchen dreimal zaghaft an die Tür ihrer Suite klopfte. Auf der Auslegeware lagen ihre jüngst erworbenen Schühchen mit den hohen, diamantenbesetzten Absätzen nachlässig hingeschleudert. Sie hatte am Vorabend getanzt. Das große Silbertablett: «Wohin wünschen Sie es, Madame?» Gebieterisch deutete sie auf das zerknitterte Laken am Fußende ihres Bettes. «Dahin! Danke.» Klirren des Porzellans und des Glases mit dem frischen Obstsaft. Kurz drohte alles überzuschwappen, dann nahm es wieder die perfekte Positur an, die Rose in der Miniaturvase, die brühheiße Teekanne, die in der steif gestärkten Serviette warm gehaltenen Röstbrotscheiben, der kleine Buttertopf und die Aprikosen- und Erdbeermarmelade, die Luisa als zu süß verschmähte, ohne sie je gekostet zu haben, die Zeitung, die ewig ungelesen unter dem Korb mit den Plunderteilchen gefaltet lag. An diesem Morgen verspürte Luisa einen Bärenhunger. Bestellte sie sich ein gekochtes Ei? Sie streckte den Arm nach dem Telefonhörer aus. Beim Room Service nahm niemand ab. Hatte sie sich verwählt? Luisa setzte sich zurecht, lehnte den Kopf bequem an und wählte noch einmal. Wieder keine Antwort. War etwa das Telefon defekt? Unmöglich. Luisa wählte erneut. Nach zehnmaligem Klingeln wurde abgehoben. Sie hörte nur ein Stimmengewirr. «Hallo! Hallo?» Gleich wurde sie aber böse. Das Personal des Ritz kannte und fürchtete ihre Zornausbrüche, gerade vorige Woche hatte sie ihren Schmuck aus dem Fenster geworfen. Die Angestellten waren auf die Place Vendôme hinausgestürzt, um die Ohrringe und Armreifen aufzusammeln und einen Aufruhr sowie, wichtiger noch, den Skandal zu vermeiden.
    «Hallo!» Ein Klicken, dann nichts mehr. Vor der Nase aufgelegt. Die Marchesa schnaubte. Sie packte den Hörer und läutete bei der Rezeption an. Kein Freizeichen. Nackt sprang Luisa aus dem Bett. Dass man sie warten ließ, war sie nicht gewohnt. Sie schlüpfte in einen Morgenmantel aus schwarzem Samt, dachte immerhin daran, den Gürtel zu verknoten, dann in ihre Schwanenfederpantoffeln, und stürmte aus ihrem Zimmer. Spät am Morgen des 3. August 1914 lag der Flur verlassen da. Kein Mädchen, einen Stapel Handtücher im Arm, kein Pakete tragender Bote. Dabei waren doch fern Stimmen zu hören. Sie eilte die Treppen hinunter, die langen Schöße des Morgenmantels wehten, ihre

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