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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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festhalten würden. Oder nein, ein einziges Werk, ihr Porträt. Während der Zeit in Venedig, 1910 bis 1913, wurde sie von dem berühmten Illustrator Roberto Montenegro vor Jugendstil-Hintergrund gezeichnet, von Umberto Brunelleschi maskiert und nackt mit blauen Strümpfen, die ihr bis auf den halben Oberschenkel reichten. Giovanni Boldini schuf ein zweites Porträt im Profil, auf dem sie Pfauenfedern im Haar trägt. Georges Goursat, besser bekannt unter seinem Pseudonym Sem, karikierte sie als Walzer tanzende Riesin, einen kleinen, ihr nur bis zur Hüfte reichenden Boldini im Arm. Auch Giulio de Blaas malte sie mehrfach. Ein Ölgemälde von Elizabeth Grandin, ein Pastell von Gustav-Adolf Mossa, eine Tuschzeichnung von Alastair. Dazu Skulpturen von Renato Bertelli und dem russischen Fürsten Pawel Trubetzkoy. Mit Alberto Martini schloss sie einen auf zwanzig Jahre Dauer angelegten Vertrag, nach dem sie ihm jährlich eine Pension ausschüttete, gegen eine bestimmte Anzahl von Porträts. Die meisten davon sind verlorengegangen, doch blieb immerhin ein Dutzend erhalten, darunter das berühmte Langsames Erwachen nach so mancher Seelenwanderung . Dieser Vers von Verlaine illustriert eine Luisa in Metamorphose, halb Frau, halb Schmetterling. Alberto Martini berichtet in seinen Memoiren, dass Luisa während einer der zahlreichen Sitzungen sagte: «Mal mir einen Löwenkopf, ich fühle mich heute als Löwin»; sie sei jeden Tag ein anderes Tier gewesen. Seit ihrem Pariser Erfolg mit dem ersten Boldini hatte Luisa sich verändert. Sie verweigerte Martini das Recht, seine Bilder von ihr in Galerien zu zeigen, da «nichts mit der Würde der Kunst vergleichbar» sei. Der in ihrem Sold stehende Künstler tobte, aber er fügte sich.
    Und schließlich ließ Luisa sich fotografieren. Die 1912 gemachte Aufnahme des international renommierten Barons Adolf de Meyer reiste um die ganze Welt. Die Marchesa blickt unverwandt ins Objektiv, eine Perlenkette um die Handgelenke geschlungen, das Kinn auf die verschränkten Arme gestützt. Ihre Pupillen, die sie jetzt täglich mit ein paar Tropfen Belladonna weitete, trotz der Erblindungsgefahr, hypnotisieren den Betrachter. Derselbe Blick, den man von verschiedenen Gemälden kennt, denjenigen, die sie zeigen wollte, nicht der einer Löwin oder Tigerin, sondern einer mysteriösen und erbarmungslosen Frau. Luisa wollte ihr Bild kontrollieren. Im Grunde nahm sie sich sehr ernst. Verrückt, wie sehr sie auf diesem Foto meiner Freundin Esther gleicht. Esther hat von den Frauen, die ich kenne, am meisten Klasse und die größten Augen.

W ährend der vier Drehtage durfte ich in Esthers kleinem Apartment in Brooklyn wohnen. An diesen kurzen Aufenthalt in New York habe ich extrem deutliche, allerdings unzusammenhängende Erinnerungen. Sie kommen stoßweise, es fällt mir schwer, sie zu entziffern. Ich erinnere mich an den Moschusduft in dieser Wohnung und an das Klappern der Metallringe, wenn man den Duschvorhang vorzog, einen dicken, starren und durchsichtigen Vorhang. Ich fand es eine bezaubernde Behausung. Draußen war es so kalt, doch hier drinnen herrschten ungewöhnliche Milde und Gemütlichkeit. Die Zimmer entzogen sich jeder Logik, waren eines hinter dem anderen angeordnet, nicht sehr praktisch. Im Badezimmer, einem winzigen Verschlag, thronte eine auf Füßen ruhende Badewanne, die Zähne musste man sich in der Küche putzen. Über der Spüle hingen ein Spiegel an einem Nagel und ein Kulturbeutel neben dem Abtropfgestell für das Geschirr. Das Ganze erinnerte an eine möblierte Wohnung aus den dreißiger Jahren. Es gab einen alten Tellerschrank, die Wände des Schlafzimmers waren puderrosa gestrichen. Ich erinnere mich an den apricotfarbenen Lehnsessel im Wohnzimmer, das vor allem als Bibliothek und Gästeschlafraum diente. Ich lag auf einer zweikammerigen Luftmatratze, die sich automatisch aufblies. So etwas hatte ich noch nie gesehen.
    Nach der Landung meines Flugzeugs war ich in Esthers Büro gefahren, um meinen Koffer abzustellen. Der Taxifahrer war ein großer Schwarzer mit gutmütigem Lächeln. Nach der Ausfahrt aus dem Holland Tunnel hatte er nur mit Schwierigkeiten die Adresse gefunden; als ich ihm den Fahrpreis gab, zählte er die Geldscheine und sagte liebenswürdig: «This is America, we tip here.» Ich war wohl gekränkt, dass ich das nicht wusste, und ein wenig brüskiert, weil er es wagte, ein Trinkgeld zu fordern. Also bedeutete ich ihm, er bekomme keinen Cent mehr. Sein Lächeln

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