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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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gewesen. Auf der Schwelle zum Alter milder werdend, war er der Diners unter Feinden müde geworden, der hektischen Feste, mit denen der Ennui vertrieben werden sollte, müde auch der Gerüchteküche und der Rednerwettstreite, bei denen er einen solchen Ruf als ewiger Sieger erworben hatte, dass zu unterliegen dem Tode gleichgekommen wäre. Sein letzter Sekretär erbte das Haus, von ihm erwarb es Luisa. Dieser Kauf war ein Fehler. Luisa hatte schon nicht mehr genug Geld für eine solche Anschaffung. Und die Rechnung wurde noch viel üppiger, da es gar nicht in Frage kam, dass sie ohne größere Umgestaltungsarbeiten hier einzog, mit denen sie das Haus nach ihrem Geschmack herrichten ließ. Zum Unterhalt des Palais waren Diener nötig, Zimmermädchen und mindestens ein Gärtner, noch nicht gerechnet andere Unentbehrliche wie Majordomus, Koch und Chauffeur. Ihre amerikanischen Biographen schreiben der Marchesa eine Liaison mit ihrem Fahrer zu, einem gewissen Yamina, einem strahlend schönen, muskulösen Afrikaner, viel jünger als sie. Warum nicht? Doch bezweifle ich, dass sie in seinen Armen Glück empfand; es brauchte mehr als einen Gigolo, um meine Heldin zufriedenzustellen. Von Garbi ist keine Rede mehr. Vielleicht war er in Italien geblieben.

    Hier, wohin de Montesquiou sich zurückgezogen hatte, wollte Luisa sich weiter amüsieren und Gäste empfangen und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Doch die Pariser sind träge. Die Straßen der Hauptstadt bieten sämtliche Attraktionen und stets neue Versuchungen. Warum dann nach Le Vésinet hinausfahren, das so weit entfernt wirkt? Auf einmal war die Casati von der Welt abgeschnitten. Freilich lud man sie immer noch ein, doch selbst in den Wagen steigen, um sie zu besuchen … Ihr Umgang wurde spärlicher. Falls sie die Illusion sozialer Einbettung gehabt haben sollte, musste sie sich ein weiteres Mal eine Täuschung eingestehen. Ein Gartenpavillon wurde zum Ausstellungsort der einhundertunddreißig Porträts umgestaltet, die sie im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Durch diese Galerie wandelte sie nun und betrachtete das ungesunde Schauspiel ihrer Doppelgängerinnen. Meine traurige Marchesa, allein mit ihrer Vervielfachung.
    Auch ihre kleine Menagerie wurde ärmer. Eines Tages verfiel sie auf die Idee, einen ausgestopften Panther zu bestellen, der dank eines elektrischen Mechanismus brüllte und den Schwanz reckte. Sie platzierte ihn im Entrée, wo er, wie sie sagte, Einbrecher erschrecken sollte. War ihr bewusst, dass das Lebendige von Automaten ersetzt wurde?

    Heute hat ein Immobilienmakler im Palais rose Geschäftssitz und Privatwohnung. Mir wurde eine Privatführung zuteil. Luisas Schlafzimmer ist zu einer Wohnküche umgestaltet worden, Barhocker an einem Zentralblock aus Aluminium, überragt von einer gigantischen Dunstabzugshaube. Im Garten sind für die Kinder des Inhabers Fußballtore aufgestellt worden. Verzweifelt suchte ich nach dem, was zu finden ich hergekommen war, da entdeckte ich etwas am Boden des Esszimmers. Eine in den rosa Marmorfußboden eingelassene weiße Sonne – gleich dachte ich, das müsse ihr Markenzeichen sein. Die junge Frau, die mich führte, bemerkte, dass ich stehengeblieben war. «Ist das Alabaster?», fragte ich. «Ja, genau, und schauen Sie mal, man kann es von unten beleuchten!» Sie betätigte einen Schalter. Wie in der Villa in Rom! Nichts als ein bisschen Elektrizität unter einem Stein, aber ich freute mich wahnsinnig. Allmählich kannte ich sie doch recht gut, meine Marchesa.

D ie Gabel der Casati stieß wütend in das Blutrot eines Tartars mit Kapern. Sie legte sie am Tellerrand ab und trank in großen Schlucken Bier. Luisa hatte einen dieser Tage, an denen sie alles verschlingen wollte. Ihr Freund, der Fotograf Cecil Beaton, betrachtete sie ein wenig ratlos. Er hatte seine Seezunge Müllerin Art kaum angerührt. «Ich möchte etwas Oranges», erklärte sie auf einmal. «Zum Nachtisch?» – «Nein, woher denn. Kommen Sie mit, Sie müssen mir helfen.» Sofort musste es losgehen. Die Seezunge blieb in der Petersilienbutter liegen, Yamina ließ den Motor des Hispano-Suiza aufheulen, sie fuhren los, ohne zu wissen wohin. Ein oranges Kleid? Einen Mantel? Eine Stola? Eine Handtasche vielleicht? Sie hatte keine Ahnung. Aber orange musste es sein, orange mit einem Stich ins Malvenfarbene. Ein etwas verblasstes, aber schrilles Orange. Beaton wusste nicht recht, ob er begriff, worum es ging. Sie kamen am Schaufenster eines

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