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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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Ladens mit Beleuchtungskörpern vorbei. Eine Émile-Gallé-Lampe aus Glasfluss in einem grau gefleckten Orange verströmte sachtes Licht, als flösse Ahornsirup aus ihr heraus. Der Wagen bremste jäh, Luisa schoss heraus und stürmte furiengleich in den Laden. Ein paar Minuten später kam sie wieder heraus, mit leeren Händen. «Nein! Nein! Absolut nicht das Orange, das ich meine!» Sie warf die Wagentür zu, sie fuhren weiter. Den ganzen Nachmittag kreuzten sie auf der Suche nach einer nicht weiter fassbaren Vollkommenheit durch die Stadt. Luisa amüsierte sich sehr dabei, Cecil spielte mit. Mit großer Tragödinnengeste rief sie «O nein! Nein! Auf gar keinen Fall!», als ginge es um Leben und Tod. Die Zeit verstrich, die Straßen zogen vorüber, die Begeisterung wich der Ermattung. Mit letzter Kraft erstand sie endlich ein Zigarettenetui von Fabergé in einem nach Granatrot hin tendierenden Orange. Sie spielte die Entzückte. Wieder im Palais rose, feierten sie ihre Verrücktheit mit Kokain. Luisa hatte das Opiumrauchen wieder angefangen und kokste immer öfter dazu. Hatte sie dieses ganze Theater nur veranstaltet, um sich die Zeit zu vertreiben? Damit Beaton sie exzentrisch und unkalkulierbar fand? Ich frage mich immer noch, in welchem Grad sie selber ihre Launen ernst nahm. Diese Episode, Beaton schildert sie in seinen Memoiren, ist exemplarisch. Die Casati war ein kleines Mädchen mit einem Fahrer und einem Publikum. Spielte sie für sich oder für die anderen?

W enn sie nicht in den Straßen von Paris nach einer neuen fixen Idee forschte, inszenierte Luisa in Le Vésinet spektakuläre Szenen mit sich selbst als Hauptperson. Zahlreiche Zeitgenossen beschrieben die Ausstaffierungen, mit denen die Casati auf verschiedenen Bällen erschien. In den Archiven sind Rechnungsbücher mit Zahlenreihen und Summen bewahrt, die heute schwer einzuschätzen sind. Was wäre das in Euro, eine Robe für 20000 Francs, entworfen von Bakst, deren Ausführung bei Worth im Jahre 1922 drei Monate Arbeit erforderte? Luisa suchte immer nach demjenigen, der ihr das verrückteste Gewand entwerfen würde. Picasso schuf für sie eine kubistische Robe mit raffinierter integrierter elektrischer Beleuchtung, die sie um ein Haar umgebracht hätte. Das war nicht das erste Mal. Wegen eines Kurzschlusses in einem Sankt-Sebastians-Kostüm hatte Luisa sich ernste Verletzungen zugezogen. Die mit rund hundert Pfeilen gespickte Rüstung war mit lauter blinkenden Sternen besetzt. Der Stromschlag war so heftig, dass Luisa dem Fest fernbleiben musste. Vom Krankenbett aus sandte sie den Gastgebern eine Karte, auf der einfach stand «Wie schade». Wie enttäuscht sie gewesen sein musste, nach all den Stunden, in denen sie sich die Verblüffung der Gäste ausgemalt hatte!
    In seinem Buch Cinquante ans de panache («Fünfzig Jahre Schneid») schildert André de Fouquières den Bal du Grand-Prix vom Juni 1924 in der Pariser Oper: «An jenem Abend verkörperte die Casati die Castiglione. Als sie erschien, allzu sehr bemalt – oder nicht genug –, arrogant und nervös, langsam, aber aufrecht unter dem Helm der nach byzantinischer Mode geflochtenen Haare, schien sie einem Kaisergrab entstiegen; ein Anblick, seltsam, archaisch, kostbar und wild zugleich. Nicht die galante Castiglione der jüngeren Geschichte, sondern ein Traumwesen, eine Emanation der Legende. Keine Beschwörung, sondern eine geisterhafte Erscheinung. Vielleicht verrieten einzig die unmerklich verachtungsvoll gekräuselten Lippen das Geheimnis dieser außergewöhnlichen Frau, die so weit über all unsere Ironien erhaben war, dass sie sie nicht einmal wahrnahm.»
    Luisa hatte sich eine romantische Robe machen lassen, golden und silbern, mit rosa Samt gefüttert und mit rosa Rosen bestückt. Der geraffte Spitzenstoff auf ihrer Korsage war voller Diamanten, dazu trug sie sechs Reihen dicke Perlen. Begleitet von Fackelträgern, nahm sie mitten auf der Bühne Platz, auf einem goldenen, mit funkelnden Edelsteinen besetzten Sessel. Ein Thron für eine Königin.
    Nicht viele der Anwesenden dürften gewusst haben, dass das Kameenarmband, das Medaillon aus schwarzem Onyx und der Silbergold-Spiegel in ihrer Hand tatsächlich der Contessa di Castiglione gehört hatten; sie waren bei der Montesquiou-Auktion verkauft worden.
    Fouquières schreibt, dieser göttinnengleiche Auftritt sei unvergesslich gewesen. Nun werden aber André de Fouquières’ Bücher nicht mehr nachgedruckt, und die Erinnerungen

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