Der Zauber der Casati
Casati als außergewöhnlicher Gastgeberin erhielt. Hochnervös war Luisa, wie eine Tänzerin hinterm Vorhang, die die Takte bis zu ihrem Auftritt mitzählt. Vorm Abendessen hatte sie noch eine Runde durch das Palais und den Garten gemacht, beide für das Fest von Grund auf umgestaltet. Luisa hatte sogar die Strecke vom Pont Alexandre III im Zentrum von Paris nach Le Vésinet beschildern lassen. Die Pariser verirren sich so leicht. In der Manufacture Royale de la Savonnerie hatte sie Teppiche bestellt, die jetzt überall auf dem Rasen lagen, und den Gebrauch von elektrischem Strom hatte sie den Dekorateuren strikt untersagt. Sie hatten also Fackeln und Kandelaber aufgebaut und Tausende schwarzer Kerzen entzündet. Die Bar, hinter der als Teufel verkleidete Mixer die extravagantesten Cocktails schütteln würden, wurde von enormen Eis-Skulpturen flankiert. Spiegeltische reflektierten die Gesichter der begeisterten Gäste. Das Fest sollte ganz Glitzern und Funkeln sein.
Luisa fand sich gutaussehend als Mann. Jetzt fehlten nur noch die weißen Handschuhe und der Kristallsäbel, dann würde jeder unmissverständlich den Zeremonienmeister erkennen. Auf leisen Sohlen kam eine Kammerzofe durchs Zimmer geschlichen und flüsterte derjenigen, die Luisa beim Ankleiden half, etwas ins Ohr. «Was ist denn los?», fragte Luisa. Die junge Frau setzte eine möglichst umsichtige und zartfühlende Miene auf: «Madama le Marquise, unter den Gästen ist ein Dame, die als Cagliostro verkleidet ist …» Eine blaue Zornesflamme flackerte tief in Luisas Augen auf. «Man bringe sie zu mir!» Heute Abend würde sie die Königin sein, und niemand durfte ihr den Spaß verderben.
Doch da flackern die tausend Kerzen unruhig. Wind kommt auf. Fern am Abendhimmel türmen Wolken sich auf, ein heftiges Gewitter braut sich zusammen. Sarà splendido – Es wird ein strahlender Abend. Anderntags aber wird man in den Salons der Comtesse Aimery de La Rochefoucauld, von Vera de Talleyrand und Robert Fitz-James von dem schrecklichen Erlebnis der Comtesse Pierre de Segonzac berichten. Während Luisa höchsteigenhändig unter den entsetzten Blicken einer Kammerzofe die junge Frau, welche unvorsichtig genug gewesen war, sich als Cagliostro zu verkleiden, in einen Schrank sperrte, legte die Comtesse de Segonzac im Kostüm der Marie-Antoinette einen äußerst bemerkenswerten Auftritt hin: Der grollende Donner erschreckte die Pferde vor der Kutsche, in der sie mitsamt ihrem Liebhaber, einem prominenten, als Comte d’Artois verkleideten Journalisten, heranrollte. Die Tiere gingen durch und rasten in die Stallung hinein, so ungestüm, dass der Torflügel zuschlug und das Paar sich in schwarzer Dunkelheit gefangen wiederfand. Andere Gäste wollten ihnen zu Hilfe eilen, doch das Tor war verklemmt, und sosehr die Comtesse um Hilfe rief und an der Tür rüttelte, es machte die Pferde nur umso wahnsinniger, deren verängstigtes Wiehern das Geschrei übertönte.
Luisa betrachtet sich im Spiegel, sie ist vollkommen. Sarà magnifico, indimenticabile – großartig, unvergesslich wird es sein. Sie weiß nicht, dass in wenigen Augenblicken ein sintflutartiger Regen über die schönen Teppiche niedergeht und die Eisskulpturen zu Schmutzwasser verwandelt. Die Buffets mit den Petits-Fours werden überschwemmt, die Gebirge aus Pâtisserien und kandierten Früchten sacken zusammen. Alles wird zerstört, ruiniert, zerlegt, zerweicht. Die Kerzen verlöschen, und in der plötzlichen Dunkelheit fliehen alle in einer hysterischen Kakophonie, Hirten und Hirtinnen, Ägypter und Königinnen, Casanova und die Comtesse de Barry, die Roben schlammverspritzt, die Fächer zerknickt, die Hüte aus der Form geraten.
Luisa rückt ihre Maske zurecht und reckt den Säbel: «Das Fest möge beginnen!»
M anche Geschichten, die sich um die Casati ranken, sind nur schwer verifizierbar. Sie halten sich hartnäckig in den Erzählungen obskurer Zeitgenossen und erinnern doch eher an breitgetretenen Klatsch, um nicht zu sagen an Lügen. Da Luisa diese Geschichten selbst genüsslich am Leben hielt, erliege ich der Versuchung, eine Anekdote aufzunehmen, die Jane Campbell, Fürstin von San Faustino, in ihren Memoiren schildert.
Der Pariser Erzbischof seinerzeit war ein gewisser Louis-Ernest Kardinal Dubois. Er galt als großer Geißler der Exzesse und Ausschweifungen der feinen Welt. Seine Predigten hallten den oberen Zehntausend in den Ohren, und die Casati, neugierig geworden, lud ihn in den Palais
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