Der Zauber der Casati
Träume getragen hatte. Als der Auktionator bellte: «Ein Posten Verkleidungen!», schloss Luisa die Augen. Sie dachte an die Zeichnungen von Bakst und daran, wie sie von jedem Einzelnen dieser Kostüme geträumt hatte. «Mit echten Diamanten bestickt, Messieurs-Dames, das sollte Ihnen eine kleine Anstrengung wert sein!» Der Gerichtsvollzieher waltete seines Amtes. Wie gern sie in Gedanken an all diese Stoffe eingeschlafen war. «Zum Ersten, zum Zweiten … zum Dritten!» Schütterer Applaus im Saal. Eine Dame ganz hinten hat den Zuschlag bekommen. Luisa mustert sie, sie ist viel zu dick, um das Etuikleid zu tragen, das sie eben erworben hat.
Kürzlich behauptete ein berühmter Modemacher, Luisa habe an dem Tag, als die Gerichtsdiener den Palais rose ausräumten, auf einer kleinen Kiste gesessen, die ihren sämtlichen Schmuck enthalten habe. Keine Ahnung, woher er diese Information haben will. Daran glauben würde ich schon gern. Tatsächlich kommt in der Auktionsliste kein einziges Schmuckstück vor. Das hieße, sie hätte durchgehalten, frech bis zum Schluss, hätte den Auktionator zum Narren gehalten und mit ihrem spitzen Hinterteil fest auf einem Berg von Perlen und Diamanten gesessen. Leider muss ich es bezweifeln. Der Schmuck war das Erste, wovon sie sich getrennt hatte, nach und nach, und selbst wenn sie es geschafft haben sollte, ein paar Teile zu retten, so war das doch lächerlich wenig im Vergleich zu all dem, was sie verlor.
Eine Woche später wurde der Palais rose zum Verkauf ausgeschrieben und das Personal entlassen, der schöne exotische Chauffeur, die kleinen Zimmermädchen, die Köchin und die livrierten Diener.
F ür Luisa begann ein unstetes Leben voller Geldsorgen. Sie zog an den Quai de Bourbon 45 an der Spitze der Île Saint-Louis, in die Wohnung der rumänischen Schriftstellerin Marthe Bibesco. Doch sie blieb dort nur ein halbes Jahr. Es ist nicht in Erfahrung zu bringen, ob sie von der Inhaberin hinauskomplimentiert wurde oder nicht. Ich könnte nur mutmaßen, mich in Hypothesen ergehen. Etwas später findet man sie im Hôtel Lucas in der Rue de Berri. Die Zimmerrechnung übernahm der Maler Marinetti. Dann zog sie ins Hôtel Régina in die Suite des Künstlers Giuseppe Nobili Vitelleschi; bis dahin hatte ich gar nicht gewusst, dass er zu ihren Freunden gehörte. Ich stelle mir vor, dass sie das Herumzigeunern genoss, dass es ihr gefiel, sich verschiedene Räume anzueignen, hier mit einer persönlichen Note, da mit einer Prise Poesie, aufgeregt wie ein kleines Mädchen, sobald es daranging, in etwas Neues zu ziehen, ins Abenteuer aufzubrechen, ohne Angst vor dem Morgen. Dann wieder sehe ich sie niedergeschlagen, wie sie ihre Koffer herbeischleppt und verdrossen auf ein Bett mit einer Tagesdecke von miserablem Geschmack wirft, wie sie von Sorgen zernagt um Schlaf ringt und sich fragt, wie sie an den nächsten Tagen bloß ein Dach überm Kopf finden soll. Ich weiß nicht, für welche Seite ich mich entscheiden, welche Geschichte ich erzählen soll. Eines aber weiß ich aus Erfahrung: Wenn man Geld braucht, dann helfen einem immer andere aus der Patsche, als man gedacht hätte, sogar die besten Freunde, zumal die reichsten, stehlen sich davon, wenn es darum geht, den Geldbeutel aufzumachen. Aber es gibt Helden der Großzügigkeit, und viele Hilfsbereite unterstützten Luisa, vor allem Künstler griffen ihr unter die Arme. Wo sie schon nicht ihre Muse war, so war sie doch wenigstens ihr Gast …
Cristina und Francis, die beiden Luxuskommunisten, waren in die Südsee gereist, nach Moorea, der Nachbarinsel von Tahiti. Im März 1928 kamen sie zurück nach England, und Cristina brachte ein Mädchen zur Welt, das sie – Moorea tauften. Sie ließen das Kind bei Cristinas Schwiegereltern, Viscount und Viscountess Hastings, und reisten neuen Horizonten entgegen, nach Amerika und Mexiko. Francis, der Maler, wollte unter Anleitung von Diego Rivera lernen. Dieser ganze kleine Kreis lebte damals von Farben und revolutionären Ideen, sprach davon, die Welt zu verändern, und schlug die Hausangestellten. Frida Kahlo, Riveras Lebensgefährtin, malte ein Porträt von Cristina. Das junge Ehepaar Lord und Lady Hastings lahmte schon beträchtlich, und die beiden Frauen, Frida und Cristina, erlebten eine kurze Liebesgeschichte. Als würdige Tochter ihrer Mutter, ob sie das nun sein wollte oder nicht, war Cristina von hitzigem Temperament. Allein reiste sie nach Brasilien weiter, dann nach Spanien, um ihren
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