Der Zauber der Casati
Waffenbrüdern im Bürgerkrieg beizustehen.
Es existiert ein Porträt Luisas von Hastings aus dem Jahr 1934. Wahrscheinlich geht es auf eine Idee Cristinas zurück, die hoffte, das Eis zwischen Mutter und Gatten zu brechen. Ich frage mich, was für eine Art Beziehung Luisa zu ihrer Tochter unterhielt. Abgesehen von ihrem feurigen Charakter und dem Mangel an Liebe, mit dem sie aufwachsen mussten, hatten sie nicht viel gemeinsam. Familiäre Muster wiederholen sich so gut wie immer. Luisa mutete Cristina – und Cristina Moorea – dieselbe Kindheit voller Einsamkeit und Verlassensein zu, unter der sie selbst so gelitten hatten. Ich mag Hastings’ Bild nicht. In einem naiven Stil, einer Imitation der Malweise Riveras, zeigt er eine faltige Luisa mit dicker Nase. Sie hält eine Kristallkugel in der Hand, und hinter ihrem Schleierchen hat sie den Blick einer leicht bescheuerten Hexe. Sobald der Maler ein wenig Talent hat, lügt ein Gemälde nicht. Gut, Luisa konnte ihren Schwiegersohn nicht besonders leiden, aber er gab es ihr ordentlich zurück.
Dann schiffte sie sich ein. Das Geld für diese Reise hatte sie ohne Probleme erhalten. Ihre «Freunde» hatten es beschafft, hochzufrieden, dass sie den Kontinent wechseln wollte. Überseeschiffe, das endlose Meer, der Kapitän in seiner Uniform. Auf Deck begegnete sie den ersten Juden, die aus Europa flohen. Hitler war eben an die Macht gelangt. Luisa verschwendete daran keinen Gedanken. Luisa brodelte vor Ungeduld. Sie hatte einen Plan.
Einen reichlich abgedrehten freilich. Eines Morgens beim Aufstehen hatte sie sich aufmerksam im Spiegel betrachtet, festgestellt, dass sie groß und schlank und schön war und dass ihr doch alle Möglichkeiten offenstanden. Ein Plan, um wieder loszuspringen. Mit dem Risiko, schwer vor die Wand zu rennen. Aber Luisa hatte keine Angst. Viel zu verlieren hatte sie nämlich auch nicht mehr. Sie machte sich auf die Suche nach einem Namen. Dem des reichsten Mannes der Vereinigten Staaten. Es gab damals noch keine Listen über die reichsten Männer der Welt, doch geriet sie an einen Artikel, der die Milliarden eines Mannes pries, und da beschloss sie, dass er passte. Ihn galt es im Handstreich zu heiraten.
Die Casati ließ ihr Netz spielen, das des internationalen Adelsverzeichnisses. Sie schickte ihrer Freundin, der Opernsängerin Lucrezia Bori, einen Brief nach New York, in dem sie darum bat, einen Lunch mit dem Auserwählten zu arrangieren. Bori antwortete unverzüglich, der Milliardär sei verheiratet. Luisa entgegnete in einem Telegramm, das immerhin den Vorzug besitzt, klar zu sein: «Macht nichts. Er wird sich scheiden lassen. Ich komme.» Wie soll man angesichts eines solchen Enthusiasmus kalt bleiben? Sie hatte ihre Koffer bereits gepackt. Zurück ließ sie nur ein paar Möbel und allzu schwere Gegenstände, die ihr später folgen sollten, wenn der Ehevertrag unterschrieben war. Einmal war keinmal, Luisa war ihr Plan vernünftig erschienen, zumindest war er vernunftbetont. Lange würde sie nur mit Poesie und gestopften Röcken nicht mehr durchhalten. Sie entsann sich sehr wohl des Tages, da sie zu van Dongen gesagt hatte, Geld sei nicht wichtig, sondern nur, dass man sich amüsierte. Aber wie schwierig es war, sich zu amüsieren, wenn man kein Geld mehr hatte! Geld war der Schlüssel, das begriff sie jetzt. Na, egal, dann trieb sie eben welches auf. Luisas Entschlusskraft war gewaltig. Und das Glück ist mit den Kühnen: Es gelang Lucrezia Bori, ein Mittagessen zu organisieren.
Sie ging von Bord. Da stand sie, im Dunst und Qualm der Kais, in einem Riesendurcheinander von Bündeln mit Waren, die schmutzige, schwitzende Stauarbeiter hin und her schleppten, inmitten aufgetürmter Überseekoffer mit dem Etikett «Zerbrechlich». Sie hörte die Freudenrufe derer, die einander wiedersahen, der Familien mit ihren tränennassen Taschentüchern – hübsche Frauen waren da mit Lippenstift und Wasserlocken, die die Rückkehr des geliebten Mannes erwarteten – und jener, die von niemandem empfangen wurden, einen zerknitterten Brief in der Hand, dazu ein junger Mann mit Brille, der zum ersten Mal fern die Wolkenkratzer erblickte, neben den Altgewohnten, Blasierten, Hastigen, die vor dem Träger einhereilten und den Taxis winkten. Luisa achtete darauf, ein wenig abseits zu bleiben, um nicht herumgestoßen zu werden, da hielt sie jäh inne. Sie hatte ja gar keine Schlange. Auf der ganzen Überfahrt hatte die Idee sie nicht einmal gestreift. Wie
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