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Der Zauber der Casati

Der Zauber der Casati

Titel: Der Zauber der Casati Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camille de Peretti
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begleichenden Ausständen in den Ohren gelegen. Das Geld war ihre Sprache, die sie perfekt beherrschte, also konnte sie sich alles erlauben, die Regeln brechen und bis zum letzten Heller spielen. Auch die Steuereintreiber reihten sich in die Schlange der Gläubiger ein; und da konnte sie sich nicht mit einem Pelzmantel oder einem Intarsientischchen aus der Affäre ziehen. Im Januar 1931 feierte Luisa ihren fünfzigsten Geburtstag. Da beliefen sich ihre Schulden auf 300000 Franc in Frankreich und 20 Milliarden Lire in Italien; nach heutiger Kaufkraft entspräche das zusammen rund 18 Millionen Euro.
    Der Absturz wird immer von einem unerheblichen, dummen Anlass beschleunigt. Tyrannen, Hochstapler und Lügner meistern die verfahrensten Situationen, doch dann gibt es plötzlich eine lächerliche Unachtsamkeit, die sie vernichtet. Bei Luisa waren es die Kohlen. Um die Heizung des Palais rose zu bezahlen, stellte sie einen ungedeckten Scheck über 29000 Franc aus. Der Kohlenhändler wusste nichts von Fabergé-Eiern und Lalique-Vasen, also zerrte er sie vor Gericht, das auf zwei Jahre Gefängnis urteilte, umgewandelt in zwei Monate Hausarrest, ergänzt um die Zwangsversteigerung ihrer sämtlichen Besitztümer. Saracchi in seinem Büro in Mailand konnte nichts mehr für sie tun.

B eschimpft und verzweifelt Stop Samstag Versteigerung Palais rose Stop Senden Sie telegraphisch zehntausend Lire Stop Schicken Sie jemanden der auswählt was Sie wollen Stop Ewig dankbar Stop Luisa Casati.» Auf das Telegramm an D’Annunzio erhielt sie keine Antwort.
    Am 17. Dezember 1932 kam der Besitz der Marchesa Casati unter den Hammer. Die Liste der Gegenstände, die eine Handvoll Unbekannter an jenem Tag ergatterte, zeigt das Inventar der Katastrophe. Auf über einem Dutzend Blätter werden Louis-XVI-Möbel aufgeführt, dazu getäfelte Bibliotheken, Tische mit Einlegearbeiten, gepolsterte Stühle. Nach den Möbeln werden die kleineren Kostbarkeiten aufgeführt, das Silberzeug, ein Porzellan-Service für vierundzwanzig Personen mit dem Familienwappen der Casati in Blattgold, vier Kandelaber in Silbergold, zwei Kristallleuchten von Lalique, aber auch ein Messing-Einhorn, ein Marmor-Phönix und der mit Perlen eingelegte Panzer einer Galapagos-Riesenschildkröte.
    Der Hammer des Auktionators saust auf den kleinen Tisch, der auf einer provisorischen Bühne aufgebaut ist. Die Frauen murmeln unter ihren breitkrempigen Hüten. Die meisten sind wegen des Schauspiels gekommen, nicht, um etwas zu kaufen … Oder allenfalls eine Kleinigkeit als Erinnerung, zum Beispiel eine von den Sachen, die früher der Contessa di Castiglione gehört haben. Dieser ganze Schatz, den Luisa für schweres Gold zusammengetragen hatte, ging in wenigen Minuten für eine Handvoll Münzen weg, zu kaum einem Zehntel des eigentlichen Wertes. Die Sammlung ihrer Porträts – Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder und Skulpturen – wurde in alle Winde zerstreut. Luisa stellte sich vor, wie das Bild von Augustus John in einer Großbürgerwohnung aufgehängt aussehen würde, eingezwängt zwischen Großmutters Standuhr und einem imitierten Louis-XIV-Schrank. Aller Augen waren auf sie gerichtet, doch sie ließ keinerlei Emotion erkennen, auch jetzt nicht, da die als «persönlich» bezeichneten Dinge unter den Hammer kamen, die feinleinenen, mit dem Wappen der Casati bestickten Laken, die Taschentücher und Badetücher, alles, bis hin zu den Waschlappen und familieneigenen Fotoalben. Was will dieser schwitzende Fettwanst da mit den Fotos von Luisa und Francesca, wie sie als Kreuzzugssoldaten verkleidet in der Villa Amalia vor dem Weihnachtsbaum posieren? Wahrscheinlich nichts. Seit bald zwei Stunden wurden ihre Vergangenheit und ihr Alltag hier schamlos ausgebreitet. Sollen sie sich eben daran aufgeilen, die Dummköpfe! Sie verzog verächtlich den Mund.
    Jetzt war ihre Garderobe an der Reihe. Eine Robe aus persischem Brokat aus dem Modehaus Worth, sechs Paar Maßschuhe, golden und silbern, ein Mantel aus Pantherfell, sechs Abendkleider mit Schleppe, zwei Paar mit Silberfuchs gefütterte Handschuhe, ein Paar Handschuhe aus Tigerleder, ein Paar Pumps mit Diamantschnallen, ein rotseidener Mantel von Réville mit Silberknöpfen, in die das Wappen der Casati eingeprägt war, ein Fächer aus rosa gefärbten Straußenfedern, zwölf Unterkleider aus Satin, dazu ihre Wäsche. Die Aussteuer einer Frau, kurz gesagt. Luisa musste an die Abende, an die Bälle zurückdenken, an denen sie diese

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