Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
Schäden angerichtet.«
»Ja, ein Unwetter«, wiederholte Francesca.
Sie verzog kaum wahrnehmbar das Gesicht.
»Dort unten war der Blick auf die Berge rings um den See so schön, das Blau des Wassers so … tröstlich: Ich hatte schreckliche Lust, einfach auf meiner Insel zu bleiben. Ich hatte diesen wunderbaren Vorwand größerer Reparaturarbeiten, die beaufsichtigt werden mussten. Und ich wusste, in der Buchhandlung würde es genauso weitergehen, ob ich mich nun einmischte oder nicht.«
»Sie erlauben?«, unterbrach Heffner sie. »Ich weiß, nach sechs Monaten werden Sie es schwierig finden, diese Frage zu beantworten, aber wissen Sie noch, was sich am Tag des Diebstahls in Ihrer Handtasche befand?«
»Stellen Sie sich vor, das kann ich Ihnen ganz leicht sagen. Ich wechsle oft die Handtasche, je nachdem, was ich an Kleidung trage. Und seit Jahren habe ich eine Gewohnheit, die mir das Leben sehr erleichtert. Welche Handtasche auch immer ich mitnehme, ich stecke außer einem Buch und Zeitungen immer eine kleine schwarze Ledertasche in Form eines Briefumschlags hinein, die ich nie ausräume und die meine Ausweise, meine Kreditkarte, mein Portemonnaie und meinen Kalender enthält.«
»Gab es im gesamten Handtascheninhalt irgendetwas, womit man Ihnen hätte schaden können?«, fragte Heffner.
»Nein, ich glaube nicht. Was mich am meisten störte, war der Verlust meines Ausweises, aber den habe ich ja wieder.«
»Und waren in der Handtasche Dinge, mit denen man der Buchhandlung hätte schaden können?«
»Diese Frage habe ich mir auch zwei Tage lang gestellt, wie Sie sich vorstellen können. Nein, ich denke nicht. In meinem Taschenkalender sind eine Reihe von Notizen im Zusammenhang mit der Buchhandlung. Ich bin die Wochen vor dem 8. Juni immer wieder durchgegangen: Listen von schwer aufzutreibenden Büchern, Termine mit Bouquinisten, solche Sachen eben. Ich wüsste nicht, wie man sie gegen uns verwenden könnte.«
»Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, wenn ich mir den Inhalt dieser ›kleinen schwarzen Ledertasche in Form eines Umschlags‹ einmal ansehen würde.«
»Wann immer Sie wollen«, stimmte ihm Francesca zu. »Jetzt gleich?«
»Nein«, sagte Heffner. »Erzählen Sie lieber weiter. Wir sind im Juni …«
»Mitte Juni 2005«, sagte Van. »Sie wissen ja, wie es ist, wenn sich etwas beruhigt. Zuerst wagt man nicht, daran zu glauben. Aber dann vergeht eine Woche ohne Zwischenfall, und dann noch eine. Wir fingen schon an, uns zu fragen, ob wir das Schlimmste nicht hinter uns hätten.«
»Das Wetter war schön«, sagte Francesca. »Ich glaubte, wir hätten vielleicht das Recht errungen, unsere Arbeit zu tun, wie wir es für richtig hielten, und sogar einen gewissen Respekt, wenn auch keine allgemeine Zustimmung.«
Über das Internet kamen noch ein paar Gemeinheiten, üble Nachrede und dergleichen, aber sporadisch und anscheinend unabhängig voneinander.
Dafür gab es unerwartetes Lob von Peter Carey im Verlauf eines langen Interviews im Vieil Observateur . Der Romancier machte eine Lesereise durch Europa, weil in mehreren Ländern gleichzeitig Übersetzungen seines Buchs Mein Leben als Fälschung erschienen. Es gab einhellige Begeisterung, und einige Zeitungen versuchten, sich in ihren Beiträgen mit aller Gewalt von den anderen abzuheben. Der Journalist des Vieil Obs fragte Carey, was ihn bewogen habe, sein Land zu verlassen und sich in New York anzusiedeln. Der Australier hingegen sang ein Loblied auf einen gewissen französischen Esprit. »Nirgendwo sonst als hier in Paris«, sagte er, »existiert eine so ungewöhnliche Buchhandlung wie Der gute Roman , und nirgendwo sonst könnte sie existieren. In keinem anderen Land käme ein Mäzen auf den Gedanken, eine solche Wette einzugehen und sein Geld auf eine Buchhandlung zu setzen. Und noch schöner ist, dass ich Stunden an diesem Ort verbringen konnte, ohne von irgendjemandem erkannt zu werden.«
»Ich weiß noch sehr gut, dass ich einmal dachte: ›Der sieht doch aus wie Peter Carey‹«, bestätigte Ivan. »Aber selbst wenn ich sicher gewesen wäre, hätte ich mich genauso verhalten, wie ich mich verhalten habe. Ich hätte ihn in Ruhe gelassen. Allenfalls hätte ich am nächsten Tag zu Francesca gesagt: ›Peter Carey war gestern Nachmittag hier, er hat fast zwei Stunden bei den Mitteleuropäern verbracht.‹«
»Und ich hätte ihm am nächsten Tag geschrieben«, sagte Francesca. »Nur ganz kurz: ›Es war eine Freude und Ehre für uns, dass
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