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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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Leben zurück. Sie geben mich mir selbst zurück.«
    »Und Ida Messmer greift wieder zur Feder«, sagte Francesca.
    Sie sagte jedoch nicht, was sie außerdem dachte. Eine Frage, nicht die unwichtigste, war nach wie vor unbeantwortet, die dritte: Wie hatte man erfahren und wer hatte herausgefunden, dass Anne-Marie Montbrun Mitglied der Auswahljury für den Guten Roman war?
    Sie wurde unterbrochen. Es war sieben Uhr, die Besucher mussten das Krankenhaus verlassen.
    »Über Ihr neustes Buch sprechen wir das nächste Mal«, sagte Francesca. »Eines der wenigen im September erschienenen Bücher, die der Buchhandlung vorgeschlagen wurden. Und glauben Sie mir, ich habe damit nichts zu tun.«

45
    I ch erfuhr, dass Heffner sich sofort in die Ermittlungen stürzte, obwohl er noch andere Fälle zu bearbeiten hatte. Ich wusste nicht alles, doch was ich erfuhr, erfuhr ich gleichzeitig mit Van und Francesca, wohingegen mir über die Anfänge der Buchhandlung erst im Nachhinein erzählt wurde.
    Natürlich sagte man mir nicht alles. So wusste ich lange Zeit nicht und hätte es auch nie vermutet, dass ich zu denjenigen gehört hatte, die man verdächtigte, die Namen der Komiteemitglieder herausgefunden und weitergegeben zu haben.
    Heffner suchte Néon und Le Gall auf. Auch Anne-Marie Montbrun erlaubte ihm, sie zu besuchen. Und sicher traf er andere Komiteemitglieder.
    Paul Néon schämte sich dafür, doch er konnte über die Männer, die ihm den Alkohol aufgedrängt hatten, nichts sagen. Er konnte sich gerade noch erinnern, dass einer der selbst ernannten Filmemacher wie ein Durchschnittsfranzose aussah, weder besonders groß noch besonders dick, nicht sonderlich dunkelhaarig, weder Schnurr- noch sonstiger Bart … An den anderen konnte er sich gar nicht mehr erinnern. »Ganz sicher habe ich unter anderem deshalb einen Horror davor, wieder nach Les Crêts zu ziehen, weil ich sie nicht wiedererkennen würde, sollten sie je wieder dort auftauchen.«
    Heffner unterhielt sich lange mit ihm. Es werde nicht so schwierig sein, ihm anderswo eine Wohnung zu suchen, schließlich müsse er nicht aus beruflichen Gründen in dieser Alpengegend bleiben und könne sich praktisch überall niederlassen. »Da täuschen Sie sich«, sagte Paul. Er wollte in der Nähe von Chambéry bleiben.
    Den Grund dafür versuchte er gar nicht zu verheimlichen. Heffner hatte sogar den Eindruck, dass Néon regelrecht gefragt werden wollte. Nicht etwa, dass er an dieser Gegend hänge, erklärte Néon, im Gegenteil, er ertrage das Mittelgebirge nicht mehr, eben wegen des ständigen In-der-Mitte-Seins: zwischen zwei Grautönen, zwei Wolken, zwei Regenschauern. Aber seit elf Jahren habe er eine Verpflichtung, die er nicht aufkündigen wolle. An jedem Mittwoch fahre er nach Chambéry hinunter und kümmere sich um die Kinder.
    Heffner erfuhr nichts Neues, als er dies aus Néons Munde hörte. Durch Ivan, dem Néon das bereits erzählt hatte, wusste er, um welche Kinder es sich handelte und warum sie jeden Mittwoch von überall her zu dem Spielplatz einer tristen Hochhaussiedlung südlich von Chambéry strömten. Aber er hütete sich, es zu sagen. Denn er sah zwar nichts Tadelnswertes daran – Paul las benachteiligten Kindern vor und lieh ihnen Bücher, und das im Rahmen einer so genannten Straßenbibliothek einer Vierte-Welt-Organisation –, doch er fragte sich trotzdem, welche Pflicht einen so menschenscheuen und menschenhassenden Autor dazu bringen konnte, schon seit elf Jahren so viel Zeit zu opfern.
    »Sie fragen sich sicher, warum diese regelmäßigen Treffen mit ein paar Rotznasen eine solche Bedeutung für mich haben«, sagte Néon just in diesem Augenblick.
    Heffner nickte vage und zeigte sonst kein Interesse, ganz nach Art eines Freudschen Psychoanalytikers, der spürt, ja weiß, dass er zum Kern des Problems vordringt.
    »Ganz einfach«, sagte Néon.
    Heffner glaubte, ebenfalls ganz wie ein Psychoanalytiker, nicht, dass irgendetwas ganz einfach sein könne. Und verriet es mit keinem Wort.
    »Vor elf Jahren«, sagte Néon, »riss mich zum ersten Mal in meinem Leben die Leidenschaft mit sich fort.«
    Eine sechzehnjährige Roma hatte ihn eines Tages auf der Straße angesprochen. Ein Mädchen von dunkler Schönheit. Sie bot sich für drei Sou an – sie schien auf Französisch gerade mal zählen zu können – und schien äußersten Gefallen an ihrem Geschäft zu finden. Néon hielt es zunächst für einen Bluff, eine Marketingstrategie. Doch nachdem er dieses Spiel

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