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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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Konformismus. Und Van hatte ihm bald, in Form der überall nach Art barocker Säulen wuchernden Stapel noch zu lesender Bücher, seinen Stempel aufgedrückt.
    In diesem vollständig schallgedämmten Büro konnte er gefahrlos und vor Lauschern aller Art geschützt telefonieren. Dennoch hatte er nach einer Stunde, vier Kaffee und drei Beedies immer noch niemanden angerufen.
    Er schaltete seinen Computer ein, ging ins Internet, rief Google auf und tippte »polizei roman« ein. In der Sekunde darauf wurden ihm eine Million einhundertzehntausend Einträge angezeigt, die alle etwas mit Polizeiromanen, Polizisten in Romanen, dem Bild der Polizei im Kriminalroman, dem Polizistenjargon im Krimi und mit Kriminalfilmen zu tun hatten.
    Van tippte »polizei verlag« und traf in den ersten von mehr als zwei Millionen Einträgen auf Polizeiverlage und Verlage, die sich auf wissenschaftliche oder auch auf weniger seriöse polizeiliche Veröffentlichungen spezialisiert hatten.
    Er verstand. Er tippte »polizei«, betrachtete kurz, was auftauchte, und änderte es dann in »kriminalpolizei«. Die erste Website, oben auf der ersten Seite, stammte vom französischen Innenministerium. Van unternahm eine rasche Besichtigungstour. Er ging über »Geschichte der Kriminalpolizei«, »Organisation«, »Strukturen«, »Kennzahlen« zu den »Ergebnissen«, die ihm jedoch weniger interessant schienen, und machte schließlich halt bei »Bekämpfung der organisierten Kriminalität«.
    Die ernsthafte Kriminalität war in sechzehn Kategorien unterteilt, die Ivan Revue passieren ließ. »Zuhälterei«, »Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen«, »Terrorismus«, »Betäubungsmittel«, »Geldwäsche« – nirgends war von Buchhandlungen oder Romanen die Rede. Doch es gab eine Rubrik »illegaler Handel mit Kulturgütern«. Van sah nach. Es ging um Diebstahl und Hehlerei, doch nur im Zusammenhang mit Kunstobjekten – und Bücher sind eigentlich keine Objekte.
    »Sensitives Material« – Van zögerte. Er hatte das Gefühl, er selbst bestehe ausschließlich aus solchem Material, und das galt auch für alles, was er liebte, Literatur, Poesie, Schnee, Anis, Duftwicken, Mandel-Granités. Hier jedoch wurden die sensitiven Materialien ausschließlich im Hinblick auf deren Verwendung im Zusammenhang mit illegalem Waffen- und Sprengstoffhandel betrachtet.
    Die »Bekämpfung von Falschmünzerei und Fälschungen« – besser hätte man den Daseinsgrund der Buchhandlung Der gute Roman nicht beschreiben können. Doch Van wusste, dass solche Wörter im Innenministerium im eigentlichen und nicht im übertragenen Sinne gebraucht wurden, auch wenn letzterer für ihn persönlich Grund allen Leidens, Handelns und Lebens war.
    Er spürte, dass er nah am Ziel war, als er zur »Bekämpfung der Schädigung von Menschen und Gegenständen« kam. Diese besondere Abteilung der Kriminalpolizei war noch in Untereinheiten aufgeteilt – wie die »Gruppe zur Betreuung von sexuell missbrauchten Kindern und zur Bekämpfung der Verbreitung pornografischer Bilder von Kindern« oder auch »zur Zerschlagung von Werkstätten, in denen Verwaltungspapiere gefälscht werden« –, aber es gab auch eine »Gruppe ›Allgemeine Angelegenheiten‹ zur Bearbeitung von Straftaten aller Art«. Van vermerkte die noble Benennung dieser Gruppe mit definitionsgemäß unbegrenzter Aufgabe. Jedenfalls fielen seine Probleme unter diese »Straftaten aller Art«, die er sich einen Augenblick lang als einen Hinterhof voller abstruser Übergriffe und chaotischer Geschichten vorstellte. Diese Generalisten der Kriminalpolizei würde er um Hilfe bitten.
    Er las außerdem, dass sich die Zuständigkeit der Offiziere der Kriminalpolizei nicht auf »den Zuständigkeitsbereich eines einzelnen Gerichts« beschränke, sondern sich auf das »gesamte nationale Territorium« erstrecke. Das war ihm durchaus recht. Die Kriminalpolizei beschäftige, so erfuhr er außerdem, siebentausendachthundert Beamte, wobei allein auf die Regionaldirektion Paris zweitausenddreihundertneunundfünfzig »Polizisten und Verwaltungskräfte«, vierundachtzig Kommissare und tausendeinhundertzweiundvierzig Polizeioffiziere entfielen.
    Van druckte zwei zusammenfassende Seiten aus, auf denen sowohl das Organigramm als auch die Beschäftigten klar zu erkennen waren, und betrachtete sie mit zusammengekniffenen Lippen.
    So viele Leute, es waren ihm zu viele. Was er auf diesem Schaubild, auf dieser abstrakten Grafik suchte, das war ein

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