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Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman

Titel: Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Cossé
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gehören: Novellen natürlich, aber auch andersgeartete und nicht unbedingt kurze Werke, Erzählungen, Geschichtsbücher, persönliche Tagebücher, Texte eben, die sich keiner Gattung zuordnen lassen. Ich lese auch Lyrik und sogar Essays, wenn sie geschrieben sind. So etwas ist selten, aber es kommt vor. Claude Lévi-Strauss und Michel Foucault, um nur diese beiden zu nennen, sind Schriftsteller. Das war also die Sorte Bücher, die man in meiner Höhle finden konnte.«
    »In Ihrer Schatzhöhle«, korrigierte Francesca.
    Ein Paar? Kein Paar?, fragte sich Heffner. Zwei unterschiedlichere Menschen als diese Patrizierin und dieser Pierrot waren kaum vorstellbar. Aber man hatte schon Überraschenderes erlebt. Was kapriziöse Damen anging, hatte man alles erlebt.
    »Van schätzte seine Kunden«, fuhr Francesca nun fort. »Er hatte gelernt, Gehör bei ihnen zu finden. Von einem Buch, das er liebte, konnte er mehrere Hundert Exemplare verkaufen.
    Wenn man ihn nach einer Danielle Steel oder, um nicht ganz so weit zu gehen, nach einem Pierre Benoit fragte, sagte er höflich: ›Ich habe nicht alles. Aber das bekommen Sie in der Librairie Principale .‹
    Denn es gab noch eine Buchhandlung in Méribel, eine ziemlich große, in der nur Bücher verkauft wurden und weder Zeitungen noch Nippes, deren Inhaber sich jedoch ganz anders als Van vor allem für seine Einnahmen interessierte und sich deshalb auf das für den Verkauf bestimmte Buch spezialisiert hatte.
    Und so hätte es weitergehen können, zu Vans Glück und zu dem eines guten Drittels seiner Kunden, wenn nicht im zweiten Sommer Klagen an Monsieur Bonos Ohren gedrungen wären, die Klagen der Vertreter der beiden anderen Drittel. Der Geschäftsinhaber hatte durchaus bemerkt, dass seine Bücher, seit er einen Buchhändler eingestellt hatte, schlechter liefen, um es in seinen Worten zu sagen. Doch alles lief schlechter, das konnte man täglich in der Zeitung lesen, also war er der Sache nicht weiter nachgegangen. Doch die Vorhaltungen einiger Kunden machten ihn dann doch misstrauisch.
    Er, der schon seit fast zwei Jahren keinen Fuß mehr in seinen Keller gesetzt hatte, unternahm eine überraschende Inspektion, suchte nach seinen Lieblingsautoren, Tom Wolfe und Frédéric Dard, fand kein einziges Buch von ihnen, dafür aber unter den Tischen die Kartons, die schon für die Rücksendung bereit waren, begriff, welches Spiel Van da spielte, und geriet in helle Wut.
    Monsieur Bono war ein sechzigjähriger Sanguiniker, und Van befürchtete, sein Zorn könne tödliche Folgen haben. Er empfand zwar keine Sympathie für seinen Arbeitgeber, aber er wusste, dass er ihm diese einzigartige Stellung eines einfachen Angestellten, der dennoch in seiner Abteilung völlig freie Hand hatte, verdankte.«
    »Und meine Abteilung war zugleich meine Leidenschaft«, sagte Van, »mein Lebensinhalt, meine Berufung, die ich nun endlich klar erkannte.«
    Im Winter darauf brachte Monsieur Bono das Bücherangebot wieder in Ordnung, schickte Leute, die für ihn Mary Higgins Clarks Gefährliche Überraschung oder Dijans Sirenen oder Nennt es Glück von Christine Arnothy kauften, achtete dann sorgfältig darauf, dass die Regale entsprechend wieder aufgefüllt wurden, und sah die Absatzzahlen wieder steigen.
    Auch die Leser, die Van am Herzen lagen, nahmen eine Veränderung wahr. Sie, die in den vorangegangenen Saisons Stunden im Bücherkeller verbracht hatten, stehend und ohne auf die verstreichende Zeit oder die schmerzenden Beine zu achten, um dann kurz vor Ladenschluss erfüllt, strahlend und ein wenig berauscht wieder daraus aufzutauchen und ihren Bekannten nach der Rückkehr nach Paris oder Basel zu verkünden: »Bücher kaufe ich nur noch einmal im Jahr: in Méribel. Ich habe mir tatsächlich einen neuen Koffer – Wagen/Ferienplan/Lebensstil – zugelegt.« Diese Kunden sagten nun in einem betrübt-fragenden Ton, der das fast unhörbare Fragezeichen eben doch deutlich werden ließ: »Es ist hier wohl nicht mehr wie früher?« Diese Frage wirkte auf Ivan wie ein Codewort. Wer sie aussprach, wurde von ihm zur Seite genommen. Diskret wies er dann auf die Ecke hin, die in der Buchhandlung noch Wert hatte, auf die beiden Borde, auf denen er auf eigene Gefahr das Beste seiner Auswahl zusammengeballt hatte, den Honigtopf, wie er es nannte. Er garantierte für ihre Glückseligkeit, sofern sie nur genug Zutrauen aufbrachten, um irgendeins der Bücher aus dieser Abteilung zu nehmen.
    Trotz alledem, er war nicht

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