Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
Francesca. Van: Am besten werkelt jeder in seiner Ecke vor sich hin. Francesca: Und wenn sie einfach gar nichts voneinander wüssten? Van: Ja, natürlich. Eine Geheimsache. Wenn nichts über die Zusammensetzung des Komitees bekannt ist, erleichtert das seine Arbeit und erhält überdies den Mitgliedern die volle Wahlfreiheit. Die Geheimhaltung vermeidet jeglichen Druck. Francesca: Und die großen Romanciers können wirklich ehrlich sein. Ohne Geheimhaltung wäre es schwierig für sie, die Bücher ihrer Freunde oder die von Mitgliedern der Jurys für die Literaturpreise auf die Liste zu setzen. Van: Ja, wir werden lediglich sagen, dass die im Guten Roman verkauften Bücher von den Mitgliedern eines Auswahlkomitees, dessen Zusammensetzung geheim ist, ausgesucht wurden. Francesca: Wir werden immerhin sagen, dass es sich um Schriftsteller handelt. Van: Aber mehr nicht. Wir werden zum Beispiel nicht die Anzahl der Mitglieder verraten.
Dann nannten sie Namen.
»Ich kann mir das Komitee nicht ohne Paul Néant vorstellen«, sagte Francesca.
»Selbstverständlich nicht«, sagte Van. »Genauso wenig wie ohne Ida Messmer.«
»Ja, an Ida Messmer hatte ich auch gedacht. Ich hasse zwar alles Pornografische, aber ich kenne keine schöneren erotischen Romane als ihre.«
Da sie offenbar dieselben Autoren im Sinn hatten, schrieben sie jeder für sich die Namen der von ihnen am meisten geschätzten zwölf frankophonen Autoren auf einen Zettel. Dann verglichen sie ihre Listen. Unter den insgesamt vierundzwanzig Namen gab es acht Überschneidungen. Sie beschlossen, mit diesen acht, die sie beide gleichermaßen mochten, zu beginnen.
»Wie sollen wir das Geheimnis wahren, falls es eine Absage gibt?«, fragte Francesca, plötzlich besorgt. »Wie können wir erreichen, dass ein Kandidat, falls er ablehnt, nachdem wir ihm erklärt haben, was wir von ihm erwarten und wie das Komitee beschaffen sein soll, Stillschweigen bewahrt?«
»Das ist nur ein Scheinproblem, glaube ich«, meinte Van. »Ich denke mal laut darüber nach. Wir treten an jeden Schriftsteller einzeln heran. Ob er nun ablehnt oder annimmt, er erfährt nicht, wer die anderen Komiteemitglieder sind. Sollte er tatsächlich ablehnen und geschwätzig sein, kann er schlimmstenfalls sagen: ›Ich gehöre nicht dazu.‹ Doch wir werden auch diejenigen, die annehmen und wirklich zum Komitee gehören, bitten, ihre Zugehörigkeit zu leugnen. Nein, ein Problem hätten wir nur, wenn eins der Mitglieder eine Zeit lang mitmachen und sich dann zurückziehen würde. Dann müsste die betreffende Person schweigen wie ein Grab.«
»Auch das ist ein Scheinproblem«, sagte nun Francesca. »Wenn das Komitee besteht, brauchen wir nur darauf zu achten, dass die Mitglieder einander nicht kennenlernen und sich nie versammeln. Sollte sich jemand zurückziehen, kann er gern behaupten, er sei dabei gewesen, wir werden es einfach abstreiten. Wie sollte er seine Behauptungen beweisen?
Das bedeutet natürlich, dass jeder Brief zwischen den Beteiligten vertraulich sein und gleich nach Erhalt vernichtet werden muss.
Nein, wir werden uns überhaupt so selten wie irgend möglich schriftlich verständigen. Und das Internet meiden wir natürlich auch, jedermann weiß, dass dort nichts vertraulich bleibt. Wir werden nur telefonisch und unter Verwendung von Codenamen kommunizieren.
Wir könnten jedem der acht ein Handy zur Verfügung stellen, das nur für Gespräche im Zusammenhang mit unserer Buchhandlung bestimmt ist.«
Van war nicht so begeistert.
»Ein Handy ist vermutlich das sicherste Kommunikationsmittel, aber ich kann mir schlecht vorstellen, dass Sie oder ich acht Verträge auf einmal unterschreiben. Ich denke, jeder sollte sein normales Handy benutzen, damit unsere Gespräche über die Buchhandlung in den anderen Gesprächen untergehen.«
»Möchten Sie vielleicht noch einen Kaffee?«
»Hatte ich nicht schon zwei? Trotzdem, ja gern, ich kann ihn gebrauchen.«
Dann sprachen sie über den Standort des Geschäfts. Wo hatte eine solche Buchhandlung, in der nur französischsprachige Bücher verkauft würden, die größte Aussicht, ein Publikum zu finden? Die Antwort auf diese Frage schien ihnen so naheliegend, dass sie bewusst erst andere Städte nannten, Brüssel, Lyon, Genf.
»Am einfachsten wäre es vielleicht doch in Paris«, sagte Francesca nach etwa fünf Minuten.
»Aber wo in Paris? Wenn man bedenkt, wie teuer schöne Ladenlokale sind.«
Francesca besaß gemeinsam mit ihren Vettern und
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