Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
Stockfischpüree, Ivan Stockfisch mit Muscheln und Tailleberne acras, Stockfisch-Beignets, weil er, wie er sagte, das Wort zum ersten Mal hörte. Dann nahm er seine Aktentasche aus schwarzem Nylon und holte einen braunen Umschlag daraus hervor.
»Wir können es kaum abwarten, aber wir werden Ihre Liste nicht in Ihrer Gegenwart ansehen«, sagte Francesca. Ihre Augen glänzten.
»Und ich werde sie nicht für Sie kommentieren«, sagte Tailleberne.
»Sie erinnern sich an den Vertrag«, sagte Van. »Wir stellen Ihre Auswahl nicht infrage. Alle von Ihnen genannten Bücher werden in unser Sortiment aufgenommen. Sie haben daran gedacht, Ihren Namen nicht darauf zu schreiben? Sobald wir alle Listen haben, werden wir sie zu einer einzigen verschmelzen, und niemand wird wissen, wer was vorgeschlagen hat.«
Sie sprachen noch ein wenig über die Zukunft, die Einrichtung der Buchhandlung, den Zeitplan. Van bestätigte, die Buchhandlung werde im September eröffnen, wenn nichts dazwi schenkomme. Jean Tailleberne versprach zu schweigen wie ein Grab.
»Ach übrigens«, fragte Van, »haben Sie sich schon einen Decknamen überlegt?«
Tailleberne lächelte jungenhaft.
»Le Rouge«, sagte er.
»Ich verstehe«, sagte Francesca. »Nach Ihrem Vorfahren Erik dem Roten.«
Van erwähnte Nabokovs Ada , ein Buch, dessen Charaktere auch Codenamen tragen, die ähnlich dem von Tailleberne gewählten auf historische Persönlichkeiten oder Romanhelden anspielen. Tailleberne strahlte.
»Auf meiner Liste stehen Nabokovs sämtliche Romane.«
»Natürlich!«, sagte Francesca. »Als Sie sich bereit erklärten, dem Komitee anzugehören, habe ich manche Ihrer Romane noch einmal gelesen. Sie haben mich an einen Ton erinnert, einen Autor, aber ich wusste nicht mehr, an welchen. Nabokov natürlich. Ihre Art zu schreiben erinnert an seine, diese traurige, grausame Ironie, diese Virtuosität, dieser Charme …«
Tailleberne wurde puterrot.
»Sie hätten mir keine größere Freude machen können.«
Zwei Stunden später plauderten die drei immer noch.
»Sonderlich diskret sind wir nicht«, bemerkte Francesca und gab das Signal zum Aufbruch.
»Glauben Sie nicht auch, dass man in Frankreich bei jeder Mahlzeit in jedem Restaurant mindestens einen Tisch findet, an dem über Literatur geredet wird?«, fragte Tailleberne.
»Ja, das ist unsere Wette«, sagte Van. »Unsere Überzeugung, unsere Hoffnung.«
»Auch Sie hätten nichts sagen können, was uns zuversichtlicher gestimmt hätte.« Francesca streckte ihm die Hand hin. »Vielleicht ein andermal.«
»Nicht unbedingt«, sagte Van. »Roter, ich rufe Sie nur an, wenn es wirklich nötig ist. Sie wissen, wo Sie uns erreichen können. Sie haben meine Telefonnummer. Hüten Sie sich vor dem Internet: Man könnte es genauso gut von allen Dächern schreien. Nehmen Sie lieber das Handy.«
»Ich hab verstanden«, sagte Tailleberne. »In einem Wort, ich werd gar nicht erst auftauchen.«
Francesca hatte seine Liste in ihre Handtasche gesteckt. Sie holte sie erst wieder heraus, als sie mit Van in der Rue Dupuytren angekommen war. Den Umschlag noch in der Hand, hielt sie inne.
»Ich habe eine Idee«, sagte sie. »Wäre es nicht besser, wenn wir die acht Listen, wenn wir sie alle haben, gleichzeitig öffnen und irgendwie dafür sorgen, dass wir nicht wissen, welche zu wem gehört? Das müsste doch möglich sein. Wir haben gesagt, dass die Listen nicht mit Namen versehen werden sollen.«
Van nickte.
»Dadurch verlieren wir zwar ein bisschen Zeit, weil wir erst Bücher bestellen können, wenn wir alle Listen beisammenhaben, aber Sie haben recht. Es ist ein Gewinn hinsichtlich der Strenge, der Objektivität und der Diskretion.«
»Sie werden sehen«, sagte Van, der es bereits gesehen hatte, »Sarah Gesteslents ist anders als ihr Name, sie hat keinesfalls langsame Bewegungen.«
Francesca stellte sich also einen Wirbelsturm vor, einen hektischen Hampelmann, eine Kanonenkugel. Sie sah ein megaschlankes Mädchen vor sich, das sich gab wie ein Junge, mit dunkelgrauen Jeans über den praktisch nicht vorhandenen Rundungen, einem Kapuzenshirt und kurz geschorenem Haar. Durchaus passend zu ihren Texten, suggerierte sie auf den ersten Blick: nervöse Energie, kein Gramm Fett, sehr zeitgemäße Härte.
Sie hatte die Einladung zum Mittagessen abgelehnt und stattdessen einen Tee im Dunes , einem orientalischen Café im 11. Arrondissement, vorgeschlagen. Dort wohnte sie.
»Ich dachte an Quecksilber, Forelle, Heuschrecke«,
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