Der Zauber der ersten Seite - Cossé, L: Zauber der ersten Seite - Au bon roman
werde die Arbeiten unverzüglich wiederaufnehmen lassen.«
»Ich persönlich fände das in jeder Hinsicht gut. Der Gedanke ist mir auch schon gekommen, als ich überlegte, welche Qualität das in unserer Buchhandlung vorrätige Sortiment haben wird und wie schön es wäre, wenn wir auch einen entsprechenden Service bieten könnten. Diese leeren Räume kann ich von Anfang an bestens nutzen. Für einen Buchhändler ist es ein besonderer Luxus, wenn er alle Bücher seines Sortiments auch in so großer Anzahl auf Lager hat, dass ihm nie eins fehlt. Im Allgemeinen hat man dazu nicht genug Platz. Aber da wir glücklicherweise leere Räume haben, würde ich mehrere Exemplare der einzelnen Bücher bestellen, zumindest bei den bekannteren Titeln. Mit einem gut durchdachten Lager können wir es vermeiden, Kunden vertrösten oder warten lassen zu müssen.«
»Sie bringen mich da auf etwas, woran ich noch nicht gedacht hatte. Was werden wir wohl am häufigsten verkaufen, die sehr bekannten Romane oder die anderen?«
»Ich wette, die weniger bekannten. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden unsere Kunden begeisterte Romanleser sein, die schon alles, sprich schon alles Berühmte, gelesen haben.«
»Aber sagen Sie, Van: Wenn Sie unsere leeren Räume als Lager nutzen wollen, wie sollen wir dann noch die Buchhandlung vergrößern können?«
»Beruhigen Sie sich. Der Lagerbestand wird in Kartons gepackt, und Kartons kann man stapeln. Dafür reicht ein Kellerraum. Oder sagen wir zwei.«
»Ich bin ja ganz ruhig, Van. Ich werde mich zumindest beruhigen. Aber sagen Sie mir noch einmal, dass wir nicht schon am ersten Tag alles auf Lager haben müssen.«
»Francesca, was die Buchhandlung angeht, sieht alles bestens aus. Der Raum ist wunderschön, die Bücher sind unwiderstehlich. Unser eigentliches Problem wird sein, abends zu schließen. Die Kunden werden sich nicht vom Fleck rühren. ›Noch eine Stunde‹, werden sie betteln. Einige werden sich gar nicht erweichen lassen: ›Nur zu, schließen Sie. Ich bleibe über Nacht. Bis morgen!‹ Um unser Angebot mache ich mir nicht die geringsten Sorgen. Wenn die Buchhandlung übermorgen eröffnet würde, wären wir bereit, denke ich. Dafür aber ist es allerhöchste Zeit, eine Strategie für unseren Auftritt auf dem Markt zu entwerfen. Bisher hatten wir nur die Geheimhaltung im Kopf. Wir müssen jetzt an den Moment denken, in dem wir ins Rampenlicht treten. Jetzt ist Mai. Wir haben noch vier Monate.«
»Bleiben wir in diesem Sommer noch ein wenig im Schatten, Van. Legen wir als Starttermin einen Tag im September fest, warum nicht den 1. September? Dann ist in Paris die Sommerpause vorbei, alles läuft wieder an. Und wir werden unter Fanfarenklängen auf die Bühne treten.«
»Fanfarenklänge wollen vorbereitet sein. Daran muss man arbeiten, man braucht ein Repertoire, einen Dirigenten und Proben.«
»Van, zufällig ist mein Mann Geschäftsmann. Jedes Mal, wenn ich ihm von unserem Projekt erzählte, hatte er nur eins im Kopf, die Eröffnungsstrategie und -werbung. Wenn es etwas gibt, worin er kompetent ist, dann im Bereich von Firmengründungen und alldem, was heutzutage dazugehört: Marketing, Werbe- und Geschäftsstrategien. Ich verstehe nichts davon. Ich habe ihm zugehört, wie er laut nachdachte. Er hat mich mit Experten bekannt gemacht. Aber es ist spät. Haben Sie denn gar keinen Hunger? Gehen wir essen, dann erzähle ich Ihnen von meinem Plan.«
Ivan und Anis schrieben sich nicht mehr, sie telefonierten. Sie sprachen viel miteinander. Und sie hinterließen noch mehr Nachrichten auf den jeweiligen Anrufbeantwortern.
Sobald Anis von ihrem Wecker aus dem Schlaf gerissen wurde, klingelte auch das kleine Handy. Eigentlich benutzte sie das Handy sogar schon als Wecker.
»Es ist sieben Uhr«, sagte Ivan dann zum Beispiel. »Ich konnte es nicht länger aushalten.«
»Einen Moment«, unterbrach ihn Anis. »Mein Wecker klingelt dicht neben meinem Ohr«, behauptete sie. »So kann ich Sie nicht hören.«
Ivan hatte vorgeschlagen, sich zu duzen. Anis war dagegen.
»Aber warum?«, fragte Ivan hartnäckig.
»Ich finde Duzen nicht besser«, sagte Anis noch einmal und mit Nachdruck. »Es ändert nichts an der Beziehung, es macht das Gespräch nur banaler, allein schon vom Klang her, aber auch inhaltlich.«
»Wenn es den Inhalt des Gesprächs ändert, dann, weil es die Beziehung ändert«, entgegnete Ivan.
»Mag sein«, gab Anis zu. »Aber genau das sagte ich ja: Siezen ist besser.«
Van
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