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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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»Wir müssen das unbedingt bald wiederholen.«
    Auf der Hälfte des Platzes drehte ich mich noch einmal um. Er stand in der Tür wie ein bezaubernder Engel. Ich winkte, und er winkte zurück. Aber als ich mich das nächste Mal umschaute, war die Tür geschlossen.
    Die Gedanken wirbelten mir wie verrückt im Kopf herum, als ich nach Hause ging. Ja, es war ein schöner Abend gewesen. Aber irgendwie wurde ich aus Ben nicht schlau. Sah er in mir nur eine Freundin? Oder war da noch mehr? Wie auch immer, nach diesem Abend fühlte ich mich ihm näher als zuvor. Das Bild des siebenjährigen Ben auf dem Weg ins Internat bewegte mich noch immer. Trotz seiner ungeheuren Attraktivität und seines Selbstvertrauens war Ben ein verlorener kleiner Junge, der den Beschützerinstinkt in mir geweckt hatte.

23. KAPITEL
    Mögen … die besseren Engel unseres Wesens … triumphieren.
    Abraham Lincoln, Erste Antrittsrede
    Am Freitagnachmittag widmeten Zac und ich uns Raphael. Um drei Uhr schlossen wir den Laden ab, und ich half Zac, ein riesiges Blatt Papier auszurollen. Darauf zeichnete er unter Zuhilfenahme der Ergebnisse seiner Messungen, die er morgens in der Kirche vorgenommen hatte, die Umrisse des Fensters, in das unser Engel passen musste. Später sah ich zu, wie er ein Raster aus Quadraten über ein Foto von Russells Originalskizze zeichnete und ein ähnliches Gitter über das Bild im Maßstab 1:1 legte. Das ermöglichte es ihm, die Zeichnung Quadrat für Quadrat zu vergrößern. Nachdem ich noch einmal den Dachboden durchsucht hatte, hatte ich den original viktorianischen Karton gefunden; aber der war so häufig auseinander- und wieder zusammengefaltet worden, dass er völlig brüchig war.
    »Vielleicht hat man ihn als Schablone für das andere Engelfenster benutzt«, sagte ich zu Zac, aber er war nicht sicher.
    Er benötigte fast den gesamten Nachmittag, um die neue Zeichnung anzufertigen, weil er immer wieder messen und rechnen und dann wieder messen und mit der viktorianischen Zeichnung vergleichen musste. Zwischendurch schrieb er ständig etwas in ein kleines schwarzes Buch, das er sich extra zu diesem Zweck gekauft hatte, und machte Fotos.
    »Wenn man ein Fenster restauriert, muss man jeden einzelnen Schritt genau dokumentieren«, erklärte er, als ich ihn darauf ansprach. »Für den Fall, dass künftige Generationen sie nachvollziehen wollen oder weitere Maßnahmen nötig sind.«
    Wir nannten es nur noch das Engelbuch . In den nächsten Wochen füllten sich die Seiten mit Zacs gestochen scharfer Handschrift, mit Illustrationen und Fotos.
    »Die Frau vom Museum war ganz fasziniert, als sie von unserem Archiv gehört hat«, berichtete ich Zac. »Offenbar gibt es nur wenige Dokumentationen über Firmen, die viktorianische Glasarbeiten gemacht haben. Sie würde gern einmal vorbeikommen und sich unsere Unterlagen anschauen.«
    »Hast du schon mit dem Gedanken gespielt, sie komplett dem Museum zur Verfügung zu stellen?«, fragte Zac, während er sorgfältig ein Muster aus bourbonischen Lilien kopierte. »Wir können nicht viel damit anfangen, aber sie könnten es vielleicht katalogisieren und für alle zugänglich machen.«
    »Zac!« Ich war empört. »Das Material gehört Dad, und er schreibt gerade eine Chronik. Da können wir doch nicht einfach was weggeben. Als Dad …«
    »Du hast recht, Fran«, sagte er leise. »Es tut mir leid.«
    In einvernehmlichem Schweigen arbeiteten wir weiter.
    Als der Nachmittag zu Ende ging, sagte er: »Hast du was dagegen, wenn ich übermorgen reinkomme, auch wenn Sonntag ist?«
    »Das ist doch nicht dein Ernst, oder?«
    »Wieso nicht? Ich habe nichts Besonderes vor und würde gern ein bisschen weiterkommen.«
    »Weißt du was«, schlug ich vor. »Ich habe auch nichts vor, kann dir also helfen, wenn du möchtest.«
    »Das wäre toll«, antwortete Zac.
    Am Sonntag übertrug Zac die Zeichnung auf ein großes Stück Transparentpapier und zeichnete die Stellen für die Bleiverlötungen und die Lage der Eisenhalterungen, die das fertige Fenster später befestigen sollten.
    Meine Aufgaben als Handlangerin waren wesentlich unspektakulärer: Ich musste Zacs Arbeit fortsetzen und das alte Glas vorbereiten – eine knifflige Arbeit, zu der das Schmelzen alten Lötzinns gehörte, das Ablösen alter Bleistreifen und das Säubern von Blei und Glas von Zementresten. Zac beobachtete mit Argusaugen, wie ich jedes fertige Stück zurück an seinen Platz auf das Papier legte.
    Zwischendurch, wenn er sich nicht so

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