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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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dem leidenschaftlichen Klavierspiel ihrer Mutter zu tun. Denn das war ebenfalls das Regentropfen-Prélude gewesen.
    Mit geschlossenen Augen stand ich mitten im Zimmer und lauschte den rasch aufeinanderfolgenden Noten, die mich durchdrangen, bis ich das Gefühl hatte, mein ganzer Körper würde vibrieren. Schließlich verebbten die letzten Akkorde. Ich öffnete die Augen und sah geradewegs auf ein Paar Schuhe, das in einer Ecke stand. Frauenschuhe, schwarz, mit hohen Absätzen und spitz zulaufend. Nicht neu, sondern getragen.
    Ben sah, dass ich die Schuhe anstarrte, stand auf und kam zu mir. Ich spürte seine Hand an meinem Arm, seinen Atem an meiner Wange. »Fran?« Er versuchte, mich zu sich herumzuziehen, aber ich machte mich steif. Ich starrte bloß auf diese verdammten Schuhe.
    »Wem gehören die?«, fragte ich.
    »Ach, nur Nina«, antwortete er.
    »Warum lässt Nina ihre Schuhe hier?«
    »Sie bringt oft ein Paar zum Wechseln mit, wenn sie Auftritte hat. Das letzte Mal muss sie sie wohl vergessen haben.«
    »Verstehe.« Ich hätte ihm gerne geglaubt, aber irgendwie gelang mir das nicht.
    »Ben, darf ich dich mal was fragen … Du und Nina, seid ihr …?«, begann ich. Mein Mund war wie ausgetrocknet. »Ich meine, habt ihr …?«
    »Ich bin Ninas musikalischer Begleiter, und, wie ich hoffe, ihr Freund«, antwortete Ben steif. »Genau wie ich es Michael erklärt habe.«
    »Dann hast du dich also mit ihm versöhnt?« Er nickte. »Oh, das ist gut.«
    Er rückte näher zu mir.
    Und ich platzte mit der nächsten Frage heraus. »Wem gehört der pinkfarbene Morgenmantel oben im Bad?« Am liebsten hätte ich mir auf die Zunge gebissen, aber nun war es zu spät. Und ich brauchte Gewissheit.
    Ben schaute mich schweigend an. Dann lachte er. »Dir entgeht wohl gar nichts. Meiner Schwester Sally, wenn du es genau wissen willst. Sie hat ihn das letzte Mal, als sie hier war, vergessen.«
    Eine schlüssige Erklärung. Warum nur gelang es mir nicht, mich zu entspannen? Im Nachhinein glaube ich, dass es einerseits an meinem Ärger über die Schuhe lag und andererseits an dem seltsamen Erlebnis, als ich seinem Klavierspiel gelauscht hatte. Und dann war da noch Bens charmantes Lächeln, das »Komm her« und »Geh weg« zugleich zu sagen schien und mich vollkommen irritierte.
    »Fran. Bitte sieh mich an.« Das war ein Befehl.
    Ich gehorchte. Er starrte mich an, die Augen zusammengekniffen, und über die sinnlichen Lippen spielte ein Lächeln. Ein winziger Tropfen Wein schimmerte an seiner Oberlippe. Ohne nachzudenken, hob ich die Hand, um ihn mit der Fingerspitze wegzuwischen. Dabei schloss er seine Hand um meine, fühlte sich warm und fest an.
    »Keine Sorge«, flüsterte er, ohne meine Hand loszulassen. »Es gibt wirklich nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest.«
    »Nein«, flüsterte ich. »Natürlich nicht.« Wir standen dicht zusammen, und dann zog er mich plötzlich in einen langen, geübten und sehr leidenschaftlichen Kuss. Ich küsste ihn zurück, und er umfasste mich noch enger. »Du bist wunderbar«, flüsterte er, als wir beide Luft holten.
    »Du auch«, murmelte ich, und dann trafen sich unsere Lippen erneut. Schließlich fuhr ich mit den Händen durch seinen goldblonden Haarschopf.
    Als ich mich schließlich aus seiner Umarmung befreite und sagte, ich müsse nun gehen, sah er mich enttäuscht an. »Bitte bleib noch.«
    Ich lächelte und küsste ihn noch einmal, dann schüttelte ich den Kopf. Ich kannte ihn noch zu wenig.
    »Weißt du was«, sagte ich, als wir uns in der Diele verabschiedeten, »wenn du so in der Tür stehst und mir nachsiehst, wie ich über den Platz nach Hause gehe, siehst du aus wie ein Engel, der meinen Heimweg bewacht.«
    »Ich muss wirklich ein Engel sein«, murmelte er dicht an meinem Ohr. »Ganz besonders heute Abend. Denn sonst würde ich dich niemals gehen lassen.«

27. KAPITEL
    Heiliger Erzengel Michael, beschütze uns im Krieg. Schütze uns vor dem Bösen und den Tücken des Te uf el s.
    Katholisches Gebet
    In jener Nacht konnte ich kaum schlafen, so glücklich war ich. Wenn ich doch mal kurz eindämmerte, träumte ich von Ben, meinem höchstpersönlichen Engel auf Erden.
    »Was halten Sie von Engeln?«, fragte ich Jeremy Quentin, als er am nächsten Tag kam, um sich Raphael anzusehen.
    »Sie meinen, ob sie tatsächlich existieren?«
    »Genau.«
    »Das ist ausgerechnet in dieser Woche eine besondere Frage. Morgen ist der 29. September, das Fest des heiligen Michael und aller

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