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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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geantwortet. »Bis ich etwas Neues gefunden habe.«
    »Seit die beiden Mädchen ausgezogen sind, fühlt sich das Haus so leer an, nicht wahr, Jeremy? Es wäre nett, noch eine Tochter zu haben. Bleiben Sie, so lange Sie möchten.«
    »Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen. Natürlich werde ich für die Kosten aufkommen.« Ich hatte hastig nachgerechnet und mich gefragt, wo ich das Geld hernehmen sollte. Denn eigentlich hatte sich nichts geändert. Während der ganzen Zeit, die ich für Minster Glass gearbeitet hatte, hatte ich mir kein Gehalt ausgezahlt, sondern von meinen Ersparnissen gelebt. So konnte es nicht ewig weitergehen. Ich würde mir irgendwann einen Job suchen müssen. Hoffentlich hatte Jessica von der Agentur mich nicht vergessen.
    Ich schaute mich noch einmal in der Wohnung um und überlegte, was ich ins Pfarrhaus mitnehmen musste. Ich brauchte alles Mögliche: Kleidung, Waschzeug, meine Tuba, Lauras Tagebuch, alles, was irgendwie wertvoll war. Und natürlich musste ich auch überlegen, was Dad eventuell benötigte.
    Ich nahm einige Kleidungsstücke aus dem Schrank und rümpfte die Nase über den Rauchgeruch. Meinen kleinen Koffer hatte ich oben auf den Kleiderschrank gelegt. Ich zog ihn herunter und legte vorsichtig alles hinein, was nicht knittern sollte. Als ich meine Reisetasche aus der Ecke zog, stellte ich fest, dass sie feucht war. Die kleine Tasche, die ich immer ins Krankenhaus mitgenommen hatte, war nicht groß genug. Ob Dad noch irgendwo einen Koffer hatte? Ich konnte mich nicht erinnern, ihn je mit einem gesehen zu haben, schließlich war er nie verreist.
    Ich betrat sein Zimmer. Hier, im hintersten Teil der Wohnung, war der Teppich völlig unversehrt geblieben. Ich warf einen kurzen Blick in den Kleiderschrank und die Kommode, fand jedoch nichts Brauchbares. Anschließend kniete ich mich nieder und schaute unters Bett. Dort befand sich die Dokumentenmappe. Die nahm ich wohl besser mit. Dahinter blinkte das Metallschloss eines Koffers. Ich streckte die Arme aus, tastete nach dem Griff und zog. Der Koffer ließ sich ganz leicht herausziehen. Eine gute Größe und – ich ließ das Schloss aufschnappen – leer. Genau das, was ich brauchte.
    Ich bückte mich, um noch einmal unter das Bett zu schauen. Ganz hinten in der letzten Ecke lagerte noch ein Koffer. Ich musste mich unter die Sprungfedern zwängen, um an ihn zu gelangen. Sie drückten sich schmerzhaft in meinen Rücken. Der Koffer blieb erst an den Sprungfedern hängen, doch dann hatte ich ihn. Er entpuppte sich als altmodischer Kosmetikkoffer aus feinstem Leder. Zunächst dachte ich, er sei verschlossen. Aber der Verschluss klemmte nur und sprang schließlich auf. Ich öffnete den Deckel.
    Im nächsten Moment schlug mir ein Hauch des Duftes entgegen, der meine tiefsten Erinnerungen begleitete. Es war, als hätte ich durch das Öffnen des Koffers den Geist meiner Mutter heraufbeschworen. Offenbar hatte sie in dem Koffer ihr ganzes Schminkzeug aufbewahrt – Glasfläschchen mit Nagellackentferner und Parfum waren an den Seiten befestigt, Tiegel mit Feuchtigkeitscreme, Lidschatten und Lippenstift und verklumptem Make-up standen in kleinen Fächern. Ich nahm einen nach dem anderen heraus, schraubte ihn auf, erkannte vertraute Namen: Revlon, Max Factor, auch wenn die Materialien, Farben und Gerüche in eine andere Zeit gehörten. Und dann öffnete ich den Drehverschluss ihres Parfums: Arpège von Lanvin. Ich schnüffelte daran. Es war auch nach all den Jahren noch intensiv, aber nicht mehr so, wie ich es in Erinnerung hatte. Und nicht annähernd so, wie es auf ihrer warmen, lebendigen Haut gewesen sein musste.
    Doch dafür verspürte ich etwas ganz anderes: das Gefühl von Wärme, Sicherheit und Geborgenheit. Ich hörte das Lachen einer Frau, eine tiefe Stimme. Den Klang eines leise gesungenen Schlaflieds. Und dann war die Erinnerung wieder weg.
    Meine Haut kribbelte. Ich sah mich im Zimmer um. Seltsame Vorstellung, dass meine Mutter hier einst gewohnt hatte. Ob dies ihr Schlafzimmer gewesen war? Jetzt stand hier nur noch ein einzelnes Bett, aber es war das größte der Schlafzimmer, daher war es vermutlich das Elternschlafzimmer gewesen. Nicht unbedingt glamourös. Ob es sie gestört hatte?
    Als ich den Deckel anhob, um den Kosmetikkoffer wieder zu schließen, entdeckte ich im dunklen Futterstoff einen langen Schlitz. Eine Seitentasche. Ich langte mit den Fingern hinein und berührte Papier. Es war ein völlig vergilbtes Programmheft

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