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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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überlege es mir, ja? Wie lang dauert die Probe denn?«
    »Zwei Stunden. Um halb sieben fangen wir an, und danach gehen ein paar von uns immer noch in den Pub. Warum schaust du es dir nicht einfach mal an, wo du gerade hier bist? Die Leute sind echt nett.«
    »Hi, Ben!«, rief jemand. »Hattest du einen schönen Sommer?«
    Ein Mann an der Tür drehte sich um, und ich sah ihn interessiert an. Er wirkte ziemlich jung, hatte sehr helle Haut, eine weizenblonde Mähne und feine Gesichtszüge. Es kam mir vor, als hätte ich so ein Gesicht schon mal irgendwo gesehen – ja, auf italienischen Renaissance-Gemälden. Er würde einen perfekten Botticelli-Engel abgeben. Auf jeden Fall strahlte er etwas aus, das die Blicke auf sich zog.
    »Hallo, Ben!«, rief Jo, als er vorbeiging. Er blieb stehen, drehte sich um und sah sie fragend an. »Ich bin Jo, wahrscheinlich kennst du mich nicht«, sagte sie ein bisschen atemlos. »Ich hab vielleicht einen neuen Sopran für uns. Das ist Fran, eine frühere Schulfreundin.«
    Ben musterte sie mit ernstem Blick. »Jo«, sagte er dann und schüttelte ihre Hand. »Natürlich kenne ich dich.« Sie wurde rot, und ich lächelte über seinen einstudierten Charme.
    Aus der Nähe stellte ich fest, dass Ben etwas älter war, als ich anfangs geglaubt hatte, eher um die dreißig, so wie ich. Seine Haut wirkte nicht mehr ganz so strahlend jung, und unter den Augen lagen schwache Schatten. Aber das verlieh ihm eher einen Hauch von Bodenständigkeit und machte ihn sogar noch attraktiver.
    »Hallo, Fran.« Er sah mir eine Sekunde lang tief in die Augen, und jetzt bekam ich wackelige Knie.
    »Ich weiß noch gar nicht …«, begann ich, aber er schnitt mir einfach das Wort ab.
    »Schön, dich kennenzulernen. Heute Abend kannst du doch einfach mal mitsingen, dann können wir hinterher reden. Und vor der Probe musst du wirklich keine Angst haben, glaub mir.« Damit eilte er weiter. Die Menge wich auseinander, offenbar strahlte er große Autorität aus. Ich war irritiert und fasziniert zugleich.
    »Tja …«, sagte ich zu Jo, nachdem mir die Entscheidung offenbar aus der Hand genommen worden war.
    »Und? Machst du mit?«, fragte sie aufgeregt. »Natürlich musst du erst noch vorsingen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dir das Probleme bereitet. Mich haben sie schließlich auch genommen, und Miss Logan hat mir mal gesagt, meine Stimme würde sich anhören, als hätte ich Sand im Getriebe.«
    Lachend erinnerte ich mich an die vornehme ältere Musiklehrerin, die den Schulchor geleitet hatte. Hatte ich wirklich Lust, hierzubleiben, mitzusingen und vielleicht einem Chor beizutreten? Es würde bedeuten, dass ich eine erhebliche Verpflichtung einging. Ich dachte an die Alternative: nach Hause zu gehen und wieder allein zu sein. Warum also nicht Singen? Schließlich brauchte ich ja nicht wiederzukommen, wenn es mir nicht gefiel.
    Ich folgte Jo zurück in den Pfarrsaal.
    »Dominic, hi, wie geht’s dir? Das hier ist Fran, eine frühere Freundin aus der Schule«, erklärte sie einem dicken lächelnden Mann mit hellen Babylocken und einem maßgeschneiderten Anzug, der hinter einem Schreibtisch saß, auf dem sich Notenhefte türmten. »Gerade eben bin ich ihr zufällig in die Arme gelaufen. Nach zwölf Jahren. Ist das nicht unglaublich?«
    »Schön, dich kennenzulernen, Fran.« Dominic stand auf und schüttelte mir die Hand. Der Blick aus seinen blauen Augen war genauso eindringlich und arglos wie zuvor bei Jo. Er notierte meinen Namen und meine Telefonnummer und reichte mir die Noten von Der Traum mit einer kleinen Verbeugung. Dann meinte er so beiläufig wie möglich zu Jo: »Wie sieht’s aus? Gehst du nachher noch mit was trinken?«
    »Na klar«, antwortete sie.
    »Du natürlich auch, Fran«, fügte er höflich hinzu. Ich lächelte und nickte unverbindlich.
    Der kleine Saal war zu drei Vierteln mit Stühlen vollgestellt, den Rest der Fläche nahmen ein kleines Dirigentenpodest und ein Flügel ein. Ich schätzte die Anzahl der Leute im Raum auf sechzig bis siebzig. Sie entledigten sich ihrer Jacken und Mäntel, verstauten Wasserflaschen unter ihren Stühlen, blätterten in den Noten oder schwatzten mit den anderen Chormitgliedern, die sie seit der letzten Probe nicht mehr gesehen hatten. Jo und ich setzten uns auf zwei freie Plätze in der letzten Reihe, die den Sopranstimmen vorbehalten war. Wir redeten ein wenig über ihre Arbeit und über gemeinsame alte Schulfreunde, bis sich eine Frau vor uns umdrehte und

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