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Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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damals einfach unglaublich anstrengend. Ich musste mich ganz und gar auf meine Arbeit konzentrieren, auf mich selbst. Für anderes blieb mir keine Kraft mehr.«
    Aber Jo ließ nicht locker. »War das nur eine Entschuldigung?«, fragte sie und sah mich eindringlich an. »Oder ist etwas passiert – mit deinem Dad vielleicht? In meinen ersten Semesterferien war ich bei euch im Laden, um zu sehen, ob du zu Hause bist. Als ich nach dir gefragt habe, hat dein Dad bloß mit den Schultern gezuckt und war ziemlich abweisend. Damals dachte ich, ihr hättet euch vielleicht gestritten.«
    Bisher hatte ich niemandem anvertraut, was geschehen war, doch jetzt verspürte ich plötzlich das Bedürfnis, es zu tun. Und ich wusste, dass Jo mich verstehen würde.
    »Du hattest recht«, antwortete ich leise. »Ich hatte damals herausgefunden, dass er mich angelogen hatte, und zwar in einer sehr wichtigen Angelegenheit.«
    Jo sagte nichts, sondern sah mich nur an. Und nun, nachdem ich zwölf lange Jahre geschwiegen und die Geschichte in mir vergraben hatte, brach es förmlich aus mir heraus.
    »Du erinnerst dich vielleicht nicht«, begann ich und trank einen großen Schluck Wein, »aber in unserem letzten Jahr an der Schule hatte ich mich für einen zweiwöchigen Sommer-Musikkurs in Paris beworben. Ich wollte im Herbst ans College, um Musik zu studieren, und mein Musiklehrer meinte damals, Paris sei für mich eine grandiose Chance, um mit anderen Musikern aus aller Welt zusammen zu spielen.«
    »Doch, ich glaube, ich erinnere mich«, sagte Jo stirnrunzelnd.
    Als ich Jo die ganze Geschichte erzählte, durchfluteten mich der Schmerz und die Enttäuschung von damals so deutlich, als sei es erst gestern gewesen.
    Es hatte sich 1981 abgespielt. Ich war achtzehn geworden und volljährig, aber für Dad zählte das nicht. Im Februar hatte er mir erlaubt, nach Paris zu fahren, und die Anzahlung überwiesen, aber als der Mai gekommen war, schien er seinen Entschluss plötzlich zu bereuen. Als ich ihm erzählte, dass ich einen neuen Pass benötigte, kam alles heraus. Er sagte, er sei überzeugt, ich wäre noch nicht alt genug, um alleine ins Ausland zu gehen. Ich protestierte natürlich, sagte, er solle nicht solchen Unsinn reden, und er schwieg mich eine Woche lang beleidigt an. Schließlich sah es so aus, als würde er mich doch gehen lassen; also fragte ich ihn nach meiner Geburtsurkunde, um den Pass zu beantragen. Ich war fassungslos, als er behauptete, er hätte sie verlegt – wie konnte er ein so bedeutsames Dokument verlegt haben, wenn er es doch zusammen mit all seinen anderen Geschäftsunterlagen sicher hätte wegschließen müssen?
    Am Ende musste ich zum Amt, um mir eine Ersatzurkunde ausstellen zu lassen. Ich rechnete fest damit, irgendeine grässliche Entdeckung im Hinblick auf meine Geburt zu machen, aber das geschah nicht. Warum nur hatte er solch ein Theater gemacht?
    Es dauerte lange, bis der Groschen fiel – Jahre, um genau zu sein. Er hatte ganz einfach Angst gehabt, mich zu verlieren. Er wollte nicht, dass ich erwachsen wurde und fortging. Vermutlich hatte er gehofft, dass ich bei ihm bleiben und das Geschäft irgendwann übernehmen würde. Und dass die Musik, die wir beide liebten, nur eine Nebenbeschäftigung bliebe anstatt einer Laufbahn, die ich ernsthaft einschlagen wollte. Aber er hatte keine Ahnung, wie er all das ausdrücken sollte; wenn es anders gewesen wäre, hätten wir über alles reden und reinen Tisch machen können. Stattdessen versuchte er mich zu manipulieren, und das war das Schlimmste, was er machen konnte. Ich vertraute ihm nicht mehr und sehnte mich verzweifelt danach, endlich das Haus zu verlassen.
    Ich beendete die Schule mit dem Abitur und ging nach Paris. Dort hatte ich eine wunderbare Zeit, und als ich Anfang August nach Hause zurückkehrte, stellte ich zu meiner Erleichterung fest, dass Dad sich offenbar beruhigt hatte. Doch im September brach seine Angst erneut durch. Eines Abends kam ich nach Hause und fand ihn halb bewusstlos vor. Er kam mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus. Dort stellte sich heraus, dass er mehrere Insulinspritzen vergessen hatte, was ganz und gar nicht typisch für ihn war. Ich war heilfroh, dass mein College in Kensington lag und ich weiter zu Hause wohnen und ein Auge auf ihn halten konnte. Aber später glaubte ich, dass er diesen medizinischen Notfall absichtlich herbeigeführt hatte. Wenn ich heute zurückblicke, bin ich mir da allerdings nicht mehr sicher. Vielleicht war

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