Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zauber des Engels

Der Zauber des Engels

Titel: Der Zauber des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
Vom Netzwerk:
einen Anflug von Humor lebendig zu gestalten. Und dennoch war ihr Bericht von tiefer Traurigkeit geprägt. Sie hatte miterlebt, wie zwei ihrer Geschwister gestorben waren und wie diejenigen, die überlebt hatten, das Haus verlassen, geheiratet, eine Karriere eingeschlagen hatten. Sie war übrig geblieben, vielleicht vom Schicksal dazu erwählt, sich um ihre Eltern zu kümmern – auch wenn es den Eindruck machte, als hätte sie mindestens einmal die Gelegenheit gehabt zu heiraten.
    Als ich das Tagebuch auf den Schreibtisch zurücklegte, fragte ich mich zum wiederholten Mal, was es hier bei Minster Glass zu suchen hatte. Und ob Dad etwas von seiner Existenz wusste. Seine an den Rand gekritzelte Frage »Wer war Laura Brownlow?« ließ darauf schließen, dass es nicht so war. Aber alle seine Unterlagen waren so sorgfältig beschriftet, dass es mir schwerfiel zu glauben, dass er es nicht gesehen hatte. Vielleicht war ihm die Bedeutung des Berichts einfach nicht bewusst gewesen.

11. KAPITEL
    »Jedes Mal, wenn du ein Glöckchen klingeln hörst, bedeutet das, dass ein Engel seine Flügel bekommt.«
    Ist das Leben nicht schön?
    Am Freitagmorgen stellte ich zu meinem Unmut fest, dass ich wieder den ganzen Tag allein im Laden verbringen musste. Um halb neun kam Zac, fuhr jedoch gleich weiter, um ein paar Zeichnungen, die er angefertigt hatte, nach Clapham zu bringen. Danach wollte er noch weiter Richtung Süden und Dads keltische Glasbilder anbringen. Jos Idee, Amber einzustellen, wurde immer verlockender.
    In Gedanken war ich noch immer bei Lauras außergewöhnlichem Tagebuch. Ich suchte den Brief, den Jeremy Quentin an Dad geschickt hatte, und wählte die Nummer des Pfarramts. Leider erreichte ich nur einen Anrufbeantworter mit freundlicher Frauenstimme. Als ich Namen und Adresse hinterließ, registrierte ich den Absender auf dem Brief: 44 Vincent Street. Wie seltsam! Ich war mir sicher, dass Laura geschrieben hatte, das Pfarramt läge am Greycoat Square.
    An diesem Morgen hatte ich viel zu tun. Ich sehnte mich danach, nach oben zu gehen und weiterzulesen. Aber offenbar hatten überall neue Abendkurse begonnen, denn ständig kamen Hobbybastler mit Materiallisten herein, die Werkzeug und Glas und gute Ratschläge brauchten. Während ich sie bediente, stellte unser Großhändler eine größere Kiste bei uns ab. Als ich endlich Zeit fand, sie auszupacken, stellte ich jedoch fest, dass die Sendung falsch war. Genervt hockte ich inmitten von offenen Kartons und Füllmaterial auf dem Fußboden und telefonierte, als ein Schatten durch das Fenster in den Laden fiel. Ich schaute auf und erkannte Ben. Hastig sprang ich auf und winkte ihn herein, während ich dem schwerfälligen Händler am anderen Ende zu erklären versuchte, dass er das falsche opalisierende Glas geliefert hatte und ich einen Tiffany-Lampenschirm mit Mohnblumen und nicht mit Glyzinien bestellt hatte.
    Ben spazierte unterdessen durch den Laden und schaute sich in Ruhe um, bevor er sich einen alten Holzstuhl heranzog, sich rittlings daraufsetzte und mir mit einem amüsierten Lächeln zusah. Es fiel mir äußerst schwer, mich noch auf das zu konzentrieren, was ich sagen wollte.
    »Dann erwarte ich die neue Lieferung also am Dienstagmorgen um acht«, sagte ich schließlich mit betont eisiger Stimme und beendete das Gespräch.
    »Mit dir möchte ich nichts zu tun haben, wenn du einen schlechten Tag erwischst«, meinte Ben und grinste.
    »Eigentlich sind wir sehr zufrieden mit ihnen.« Schulterzuckend wandte ich mich wieder meinen Kartons zu. »Offenbar haben sie einen neuen Mitarbeiter, der alles durcheinanderbringt. Schön, dich zu sehen. Bist du aus einem bestimmten Grund gekommen oder einfach nur so?«
    »Halb und halb.« Bens Blick schweifte zur Werkstatttür. »Ich würde das berühmte zerstörte Fenster gern mal sehen.«
    »Hat der Pfarrer es dir denn nicht gezeigt?«
    »Nur den Karton, in dem es sich befunden hat. Es muss in einem ziemlich üblen Zustand gewesen sein.«
    »Ist es noch«, antwortete ich frustriert.
    Die Teile des Engels lagen sorgfältig ausgebreitet auf dem Kaschierpapier, so wie wir sie hinterlassen hatten. Ben betrachtete sie interessiert, einen Finger im Aufhänger seiner Cordjacke, die er lässig über die Schulter geschwungen hatte. Heute trug er ein hellblaues Leinenhemd. Ich schaute aus den Augenwinkeln, um zu sehen, wie es zu seinen Haaren passte. Wie reifes Getreide vor einem Sommerhimmel.
    »Korrigiere mich, wenn ich mich irre«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher