Der Zauber des weissen Wolfes
Öffnung der Höhle gähnte vor ihr.
Drittes Buch
Die Singende Zitadelle
In welchem Elric mit Pan Tang, Yishana von Jharkor und dem Zauberer Theleb K'aarna in Berührung kommt und etwas mehr über die Höheren Welten erfährt...
1
Das türkisgrüne Meer lag friedlich im goldenen Licht des frühen Abends, und die beiden Männer standen wortlos an der Bordwand des Schiffes und blickten nach Norden auf den nebligen Horizont. Einer war groß und schlank und hatte sich in einen dicken schwarzen Mantel gehüllt, dessen Kapuze zurückgeworfen war und sein langes milchweißes Haar entblößte; der andere war klein und rothaarig.
»Sie war eine gute Frau und liebte dich«, sagte der kleine Mann nach einiger Zeit. »Warum hast du sie so plötzlich verlassen?«
»Sie war eine gute Frau«, antwortete der große Mann, »aber sie hätte mich zu ihrem Nachteil geliebt. Soll sie doch ihr eigenes Land suchen und dort wohnen. Ich habe bereits eine Frau getötet, die ich liebte, Mondmatt. Eine zweite möchte ich nicht umbringen.«
Mondmatt zuckte die Achseln. »Ich frage mich zuweilen, Elric, ob dein grimmiges Geschick nicht nur ein Fantasiegebilde deiner schuldbeladenen Stimmungen ist.«
»Mag sein«, erwiderte Elric desinteressiert. »Aber es liegt mir nicht daran, diese Theorie auf die Probe zu stellen. Sprechen wir nicht mehr davon.«
Das Meer schäumte auf, wo die Ruder seine Oberfläche durchbrachen. Das Schiff glitt in schneller Fahrt auf den Hafen Dhakos zu, die Hauptstadt von Jharkor, eines der mächtigsten Jungen Königreiche. Vor weniger als zwei Jahren war Jharkors König Dharmit bei dem schicksalhaften Angriff auf Imrryr ums Leben gekommen, und Elric hatte sich sagen lassen, daß die Jharkorer ihm die Schuld am Tod des jungen Königs gaben, obwohl das nicht der Fall war. Ob man ihn beschuldigte oder nicht, machte ihm wenig aus; dem größten Teil der Menschheit stand er ziemlich verächtlich gegenüber.
»In einer Stunde ist Sonnenuntergang, und nachts segeln wir bestimmt nicht«, sagte Mondmatt. »Ich gehe schlafen.«
Elric wollte eben antworten, als ihn ein schriller Schrei aus dem Mastkorb innehalten ließ.
»Segel backbord achtern!«
Der Ausguck mußte halb geschlafen haben, denn das sich nähernde Schiff war schon vom Deck aus deutlich zu erkennen. Elric trat zur Seite, als der Kapitän, ein dunkelgesichtiger Tarkeshiter, über das Deck lief.
»Was ist das für ein Schiff, Kapitän?« rief Mondmatt.
»Ein Dreiruderer aus Pan Tang - ein Kriegsschiff. Es liegt auf Rammkurs.« Der Kapitän ha- stete weiter und befahl dem Steuermann beizudrehen.
Elric und Mondmatt überquerten das Deck, um sich den Dreiruderer näher anzusehen. Es war ein Schiff mit schwarzen Segeln, völlig schwarz gestrichen und reichlich vergoldet, mit drei Ruderern pro Ruderbaum, während sie selbst nur zwei Mann aufbieten konnten. Es war groß und doch elegant, mit hohen Heckaufbauten und langem Bug. Schon war das schäumende Bugwasser zu erkennen, die Wogen, die von der großen messingverkleideten Ramme aufgeworfen wurden. Das Schiff verfügte über zwei Lateinersegel und hatte sehr günstigen Wind. Die Ruderer mühten sich in panischem Entsetzen, das Schiff nach den Befehlen des Steuermannes zu wenden. Ruder hoben und senkten sich verwirrt, und Mondmatt wandte sich mit halbem Lächeln an Elric.
»Das schaffen sie nicht. Halte deine Klinge bereit, mein Freund.«
Pan Tang war eine Insel menschlicher Zauberer, die die alte Macht Melnibones nachzuahmen suchten. Ihre Flotte gehörte zu den besten der Jungen Königreiche und fiel praktisch über alles her, was ihr in den Weg kam. Der Theokrat von Pan Tang und der Anführer der Priesteraristokratie war Jagreen Lern, der angeblich mit den Mächten des Chaos verbündet war und den Plan verfolgte, sich die Weltherrschaft anzueignen.
Elric betrachtete die Pan Tangier als Emporkömmlinge, die keine Chance hatten, dem Ruhm seiner Vorfahren gleichzukommen, doch selbst er mußte zugeben, daß das Schiff eindrucksvoll war und die tarkeshitische Galeere mühelos besiegen würde.
Nach kurzer Zeit war die gewaltige Trireme heran, und Kapitän und Steuermann verstummten in der Erkenntnis, daß es keine Flucht vor der Ramme gab. Mit lautem Knirschen brechender Planken erreichte die Ramme das Heck und schlug die Galeere unter der Wasserlinie leck.
Elric rührte sich nicht von der Stelle; er sah zu, wie die Enterhaken auf das Deck der Galeere geschleudert wurden. Ziemlich halbherzig - sie wußten,
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