Der Zauber eines fruehen Morgens
froh und dankbar, dass die beiden es überstanden haben. Spud wurde bei Ypern verwundet, doch es ist nichts Ernstes, nur Schrapnellwunden in Arm und Bein. Tony behauptet, dass er nichts Schlimmeres erwischt hat als Flohbisse. Du wirst sie bald kennenlernen, aber einstweilen könnt ihr in ihrem Zimmer wohnen, das Ma wochenlang für euch auf Hochglanz poliert hat.«
Mitternacht war vorbei, als Belle und Mog endlich ins Bett kamen. Ihr Zimmer war groß und hatte zwei Einzelbetten, jedes davon mit einer bunt gemusterten Patchwork-Decke. Wie im Rest des Hauses war das Mobiliar alt und abgenutzt, wirkte jedoch sehr gemütlich. Die Wände waren kürzlich hellgrün gestrichen worden, eine bestickte Decke lag auf dem kleinen Tisch vor dem Fenster,und darauf stand eine Vase mit weißen, margeritenähnlichen Blumen.
Ihr Gepäck stand bereits im Zimmer, und während Mog ihre Nachthemden auspackte, warf sie Belle einen Blick zu und lächelte.
»Wir haben das Richtige getan, es fühlt sich schon wunderbar nach daheim an. Aber suchen wir uns schnell eine eigene Bleibe, ja?«
Belle wusste genau, was sie meinte. Mog wollte ihre eigenen Sachen um sich sehen, ihre eigenen Mahlzeiten kochen und ihre eigene Tür haben, die sie schließen konnte, wenn sie mal allein sein wollte. Peggy und Don waren sehr, sehr nett, doch es war abzusehen, dass sie auf Dauer anstrengend sein würden.
»Du bist so ein Nestbauer«, sagte Belle liebevoll. »Keine Sorge, gleich morgen machen wir unmissverständlich klar, dass ein eigenes Zuhause unser erstes Anliegen ist.«
Am nächsten Tag führte Peggy sie stolz herum. Erst zur Christ Church, der ältesten Kirche in Neuseeland, und zum Polizeirevier, das früher einmal das Zollhaus gewesen war, aber für beide Zwecke viel zu hübsch aussah. Nicht weit vom Strand befand sich eine Konservenfabrik, und sie schauten eine Weile zu, wie die Fischerboote ihren Fang hereinbrachten. Das Gasthaus mit dem Namen The Duke of Marlborough , das direkt am Wasser lag, war für eine so kleine Stadt von beeindruckender Größe, und gleich daneben befand sich die Fremdenpension von Mr. und Mrs. Clow. Das Stück unbebauten Bodens zwischen der York Street, wo die Reids ihre Bäckerei hatten, und der Church Street wurde immer noch »der Sumpf« genannt, obwohl dort ein paar Häuser standen und Kühe grasten.
»In den alten Zeiten, als Russell wegen der rauen Sitten der Walfänger, die hier an Land gingen und sich betranken, noch als ›Höllenloch des Pazifiks‹ bekannt gewesen ist, standen am Strand nur einige wenige Rumkneipen und Bretterbuden«, erklärte Peggy, »und dahinter gab es nichts als den Mangrovenwald im Sumpf, bis hin zu den bewaldeten Hügeln, die die Stadt umgeben.«
Abgesehen vom Postamt, wo eine Vielzahl an Waren feilgeboten wurde, der Bäckerei der Reids, einer Gemischtwarenhandlung, einem Fleischer, einem kleinen Hotel und diversen Werkstätten gab es tatsächlich nicht viel zu sehen. Peggy hatte mit einer vagen Handbewegung auf ein paar Holzschuppen hinter der Stadt gezeigt und dazu bemerkt: »Dort wohnen die Eingeborenen.« Belle waren beim Spazierengehen einige dunkelhäutige Menschen aufgefallen, von denen Peggy zwar einige gegrüßt, sie ihren Gästen aber nicht vorgestellt hatte. Belle brannte darauf zu erfahren, wie die Situation zwischen Maori und Siedlern war. Doch sie hielt es für besser, nicht Peggy zu fragen, sondern lieber Vera, die vermutlich eine ausgewogenere Meinung haben würde.
Sie gingen gerade zur Bäckerei zurück, als Mog auf der Robertson Street ein kleines Haus bemerkte, das verlassen und ziemlich verkommen aussah, und sich bei Peggy danach erkundigte.
»Da hat Jack Phillips gewohnt, der Schuster«, antwortete sie. »Er ist vor zwei Jahren gestorben.«
»Ist es zu kaufen oder zu mieten?«, wollte Mog wissen.
»Das müsste Henderson, der Notar, wissen.«
Da Peggy zur Bäckerei zurückmusste, um Vera abzulösen, die seit aller Herrgottsfrühe ihrem Vater bei der Arbeit half, beschloss Belle, sofort zu Mr. Henderson zu gehen, wenn Peggy ihnen den Weg zeigte.
»Je eher daran, je eher davon«, meinte Mog vergnügt, als Veras Mutter auf das Haus des Notars zeigte.
»Sehr begeistert war sie nicht«, stellte Belle fest, nachdem Peggy gegangen war. »Warum wohl?«
»Das kannst du nachher Vera fragen«, sagte Mog. »Aber ich schätze mal, dass sie gern viele Leute um sich hat und ein bisschen enttäuscht ist, dass wir schon an unserem zweiten Tag hier von einem eigenen Heim
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