Der Zauber eines fruehen Morgens
stiefelte davon.
Sowie Schwester Smethwick am Abend das Haus verließ, lief Mog nach oben zu Belle. Sie war wach und sah so aus, als hätte sie geweint.
»Was ist denn, mein Häschen?«, fragte Mog und setzte sich zu ihr aufs Bett.
»Ich wünschte, Jimmy wäre hier«, sagte Belle sehnsüchtig. »Und ich frage mich, wie ich es ihm beibringen soll.«
»Tja, deswegen brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen. Der Doktor hat eine Nachricht an ihn übermitteln lassen und darum gebeten, ihn nach Hause zu schicken. Ich habe dir vorher nichts davon erzählt, weil ich dachte, es wäre eine schöne Überraschung für dich, wenn Jimmy einfach zur Tür hereinkommt.«
»Jemand anders musste es ihm sagen?« Belle machte ein entsetztes Gesicht. »Und warum schickt man ihn deshalb nach Hause? Jetzt glaubt er womöglich, dass ich im Sterben liege!«
Mog schluckte. Sie hätte wissen müssen, dass Belle nur an Jimmys Gefühle denken würde, nicht an ihre eigenen Wünsche.
»Dr. Towle hat ein bisschen Einfluss. Er findet, dass du Jimmy jetzt brauchst.«
»Und findet er auch, dass es nett ist, ihn den weiten Weg machen zu lassen und das Schlimmste zu denken?«
»Ich bin sicher, Dr. Towle hat dem Kommandeur mitgeteilt, dass du auf dem Weg der Besserung bist, mein Häschen. Und ich kenne Jimmy gut genug, um zu wissen, dass er böse auf uns wäre, wenn wir nicht wenigstens versucht hätten, ihn zu verständigen. Es wäre viel grausamer, es ihm in einem Brief mitzuteilen und ihn mit seinen Ängsten allein zu lassen.«
Belle hielt sich eine Hand vor die Augen und schluchzte. »Es wird nie wieder so sein, wie es einmal war. Alle unsere Pläne sind gescheitert. Jimmy ist bei der Armee, und ich habe das Baby verloren. Uns ist nichts geblieben.«
»Das ist doch albern«, widersprach Mog streng. »Du und Jimmy, ihr habt immer noch einander, und der Krieg wird nicht ewig dauern. Und wenn es dir wieder gut geht, ist der Laden auch noch da.«
Belle ließ ihre Hand sinken. »Du weißt ganz genau, dass weder Garth noch Jimmy mir erlauben werden, wieder meinen Hutladen zu führen. Ich werde wie jede andere Ehefrau in England zu Hause hocken, ohne eine Chance, mich selbst zu verwirklichen, und einfach nur zusehen, wie die Jahre vergehen, ohne etwas zu haben, auf das ich mich freuen kann, ohne etwas zu leisten.«
Mog protestierte, weil sie sich dazu verpflichtet fühlte. »Du bistdurch den Verlust deines Babys übermüdet und siehst im Augenblick verständlicherweise viel zu schwarz.« Aber sie wusste, dass Belle recht hatte. Garth und Jimmy würden nicht wollen, dass sie weiterhin ihren Laden führte; nach diesem schrecklichen Vorfall würden sie viel zu viel Angst um Belle haben.
Wenn Belle wie jede andere normale wohlerzogene junge Frau gewesen wäre, hätte sie sich nicht gewünscht, mehr als eine geliebte, gut versorgte Ehefrau zu sein. Doch Belle war eben anders; sie hatte keine normale Kindheit gehabt, wo die Mutter den Haushalt führte und der Vater arbeiten ging. In dem Alter, in dem ein junges Mädchen am leichtesten zu beeinflussen war, hatte man sie entführt, und sie hatte auf beiden Seiten des Atlantiks Dinge gelernt, die ihre Unschuld zerstört und Belle gelehrt hatten, von ihrem Verstand zu leben.
Mog wusste, dass Belle Klassenunterschiede hasste, doch gleich vom ersten Tag an, als sie ihren Hutsalon eröffnet hatte, war sie gezwungen gewesen, auf die Launen von Snobs einzugehen, weil sie ohne diesen Kundenstamm nicht überleben könnte. Zu Hause hatte sie gern die Damen nachgeahmt, die in ihr Geschäft kamen, mit hocherhobenen Nasen herumschlenderten und darüber klagten, wie erschöpft sie nach einer Anprobe bei der Schneiderin, einem Lunch mit Freundinnen oder einer Partie Bridge waren.
Mog, Jimmy und Garth hatten sich immer köstlich über Belles kleine Vorführungen amüsiert, weil sie den Stumpfsinn und die Banalität des Lebens dieser Frauen so ausdrucksvoll darstellen konnte. Ihr einziges Ziel schien darin zu bestehen, dafür zu sorgen, dass ihre Töchter eine gute Partie machten und genauso lebten wie sie selbst.
Aber weil Belle eine begabte Modistin war, genoss sie einen Sonderstatus unter diesen Frauen und hatte sich daran gewöhnt, von ihnen geschätzt zu werden. Ihr gefiel vielleicht nicht, was sie repräsentierten, doch es erfüllte sie mit Stolz, mit einem Bein in ihrer Welt zu stehen. Wenn sie ihr Geschäft aufgab, würde man in ihr augenblicklich nur noch die Frau eines Schankwirts sehen, unddieselben
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